Haltestellen in Düsseldorf Behinderte üben harsche Kritik an fehlender Barrierefreiheit

Düsseldorf · Düsseldorf wird die Vorgabe, bis 2022 nur noch barrierefreie Haltestellen zu haben, verfehlen. Die Umsetzung kann sich noch bis 2030 hinziehen. Betroffene und Politiker wollen sich damit nicht abfinden.

 Weiter Weg zur Bahn: Christiane Andrée (hier vor zwei Jahren an der Lindemannstraße) hat als engagierte Vertreterin für die Interessen Gehandicapter immer wieder raschere Fortschritte bei der Barrierefreiheit gefordert.

Weiter Weg zur Bahn: Christiane Andrée (hier vor zwei Jahren an der Lindemannstraße) hat als engagierte Vertreterin für die Interessen Gehandicapter immer wieder raschere Fortschritte bei der Barrierefreiheit gefordert.

Foto: Anne Orthen (ort)/Orthen, Anne (ort)

Enttäuscht reagierten Politiker und Interessenvertreter der Düsseldorfer mit Handicap auf einen am Montag präsentierten Bericht des Verkehrsamtes zur Weiterentwicklung der Barrierefreiheit. „Die hier genannten Zahlen machen mich sprachlos. Eine behindertengerechte Ausbauquote an den Haltestellen von gerade einmal 50 Prozent ist nicht akzeptabel“, sagte der Vorsitzende des Behindertenbeirats Andreas-Paul Stieber (CDU). Und für die FDP stellte Christine Rachner klar: „Ganz ehrlich, das ist einfach nicht hinnehmbar. Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind oder mit anderen Einschränkungen zurecht kommen müssen, werden zu oft alleine gelassen.“ Wie Markus Schneider vom Verkehrsamt erläuterte, waren von den stadtweit 1800 Haltestellen zur Jahreswende 634 Bus- sowie rund 200 Bahnhaltepunkte noch nicht vollständig barrierefrei. Bei den Bahnen seien sowohl die Niederflur- als auch die Hochbahnvariante betroffen.

Die Konsequenzen für die Betroffenen sind erheblich, einige müssen Umwege zu anderen Haltestellen einplanen, andere verzichten lieber gleich auf eine eigenständige Unternehmung. Nach Einschätzung des Verkehrsamts können pro Jahr rund 25 Bushaltestellen sowie bis zu acht Niederflur- und Hochbahnsteige umgebaut werden. Dabei markierten personelle und finanzielle Resourcen sowie abrufbare Fördermittel die Grenzen, so Schneider. Bleibe es bei den aktuellen Rahmenbedingungen, „werden wir den Ausbau zwischen 2027 und 2030 abschließen“. Bis dahin werde man die Vorhaben priorisieren. Dabei spiele die Fahrgastzahl ebenso eine Rolle wie die Zahl und die Taktung der Linien, die den jeweiligen Haltepunkt anfahren. Der Haken an dieser Perspektive: Laut Nahverkehrsplan und den bundesweiten Vorgaben hätte Düsseldorf dieses Ziel bereits 2022 erreichen müssen.

Kritik am Umgang mit Behinderten in der Corona-Krise übte Sabine Humpert-Kalb. Viellfach werde der Zugang zu Läden derzeit auch mit Hilfe großflächiger Glasfronten reguliert. Für stark Sehbehinderte könne das leicht zu einer Falle werden, „weil diese Glasscheiben meist nicht mit bunten Punkten oder Piktogrammen markiert werden“. Ein weiteres Problem: Die Aushänge mit wichtigen Hygieneschutz-Vorschriften seien für Menschen mit Einschränkungen kaum lesbar.

Schlechte Nachrichten gibt es auch für Wähler mit Handicap. Zumindest für den Fall, dass es bei der Kommunalwahl im September jenseits der Briefwahl auch einen Urnengang geben wird. „Wir verzichten wegen der Corona-Krise darauf, in Kitas und Altenheimen Wahllokale einzurichten, dadurch mindert sich der Anteil der barrierefreien Standorte“, sagte Manfred Golschinski, Leiter des Wahlamts. Ohne die besonderen Einschränkungen wären 238 der insgesamt 315 Wahllokale barrierefrei. Das entspreche einem Anteil von 75 Prozent. Dass nach wie vor ein Viertel der Wahllokale Barrieren hätten, sei, so Stieber, „für die davon Betroffenen sehr unerfreulich“.

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