Herr Gauert, haben Sie so viel Aufmerksamkeit für Ihren Bargeldverzicht erwartet?
„Hassmails haben mich erschreckt“ Düsseldorfer Bäcker nach Abschied von Bargeld angefeindet
Düsseldorf · Der Abschied vom Bargeld in einer Filiale der Bäckerei Bulle hat heftige Reaktionen ausgelöst – und bei Chef Michael Gauert auch ein Umdenken. Er sagt jetzt, welche Konsequenzen er aus der Kritik zieht.
Wenn es ums Geld geht, hört der Spaß auf. Diesen Eindruck hinterlässt die hochemotionale Debatte, die die Bäckerei Bulle ausgelöst hat. Chef Michael Gauert (34) hatte für die Filiale an der Oststraße verkündet, dort kein Bargeld mehr akzeptieren zu wollen. Aufwand und Kosten seien zu hoch, von den Gebühren bei den Banken bis zum täglichen Zählen der Münzen. Im Gespräch erzählt er, welche heftigen Reaktionen seine Entscheidung ausgelöst hat und wie er damit umgeht.
Michael Gauert Nein, das hat uns völlig überrascht. Es gab nach dem Artikel in der Rheinischen Post eine ganze Reihe von Medienanfragen, auch einige von Fernsehsendern. Wir hatten uns eher auf einen Diskurs mit unseren Kunden in der Filiale eingestellt.
Auch in den Sozialen Medien ist eine sehr hitzig geführte Debatte entbrannt.
Gauert Auch mit dieser Emotionalität habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn nicht gerechnet. Das schlimmste waren aber die vielen Hassmails, die ich bekommen habe. Auch viele böse Anrufe gab es, meine Handynummer ist ja öffentlich auf unserer Internetseite. Das hat mich sehr erschreckt.
Was waren das für Äußerungen?
Gauert Das war zum Teil nah an der Morddrohung. „Wir finden deine Leiche“, hieß es etwa in einer Mail. Ein Anrufer begann das Gespräch mit den Worten: „Du Bastard, warum nimmst du kein Bargeld mehr an?“
Haben Sie Anzeige erstattet?
Gauert Nein, ich würde das Thema lieber hinter mir lassen. Ich muss gestehen, dass ich auch schnell abgestumpft bin. Die ersten fünf Mails habe ich noch genau gelesen, den Rest nicht mehr. Mit manchen Anrufern habe ich sogar diskutiert, die mich dann zum Teil besser verstanden. Es ist jetzt aber zuletzt wieder ruhig gewesen.
Auf der anderen Seite gab es ja auch viel Zuspruch.
Gauert Das stimmt. Viele kleine Unternehmen haben sich zum Beispiel bei mir gemeldet, weil sie meine Probleme und meinen Ansatz nachvollziehen konnten.
Wie lief es in der Filiale, gab es da viele Diskussionen mit ihren Kunden?
Gauert Das Thema wurde meist sehr nett angesprochen. Oft wurde nach bestimmten Situationen gefragt. Was zum Beispiel ist, wenn die Kinder Brötchen holen kommen, und man ihnen nicht die Kreditkarte überlassen will. Oder wie wir mit der Oma der Familie umgehen, wenn sie bar bezahlen will. Ehrlich gesagt, habe ich bislang längst nicht so viele Kinder bei uns einkaufen gesehen, wie jetzt Nachfragen dazu kamen. Aber wir haben vorher auch nicht über diese Fälle nachgedacht.
Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Vor zwei Wochen hatten sie ja gesagt, dass Sie die Bargeldkasse nach einer Übergangszeit von etwa einer Woche abschaffen wollen, selbst wenn Sie so Kunden verschrecken.
Gauert Für uns ist klar geworden: wir wollen niemanden wegschicken. Wir werden also eine kleine Wechselkasse behalten, bis wir eine andere Lösung haben. Wir denken an Gutscheine, die mit einem runden Barbetrag gezahlt werden können. Die Einkäufe wären dann mit dem Guthaben möglich. Es hat sich jetzt durch die Umstellung auch so entwickelt, dass wir 95 Prozent Kartenzahlungen haben, vorher waren wir ungefähr bei 50 Prozent. Das heißt, wir kommen mit einer kleinen Bargeldkasse aus, vorher hatten wir zwei Kassen fürs Bargeld. Wir müssen viel weniger Wechselgeld vorhalten, die Beträge sind sehr schnell gezählt und wir werden wohl nur noch einmal im Monat zum Wechseln zur Bank müssen. Der Aufwand für einige wenige Bargeldzahlungen ist also gering. Das können wir gut weiter anbieten.
Macht sich die Entscheidung bei Ihren Umsätzen bemerkbar? Haben Sie viele Kunden verloren?
Gauert Ehrlich gesagt, liegen die Umsätze wohl etwas höher als noch vor ein paar Wochen. Das kann aber auch am Ferienende liegen. Kunden haben wir auf jeden Fall einige verloren. Sie haben uns zum Teil verärgert per Mail mitgeteilt, dass sie nicht mehr kommen wollen. Andererseits haben wir durch die zusätzliche Aufmerksamkeit wohl auch einige neuen Kunden gewonnen.
Haben Sie Verständnis für die Argumente der Bargeldbefürworter? Sie kritisieren etwa, dass bei digitalen Zahlungen immer eine Datenspur entsteht.
Gauert Ich kann einige Argumente gut nachvollziehen. Ich verteufele das Bargeld nicht. Es geht hier ja nur um meinen persönlichen, wirtschaftlichen Weg, damit umzugehen. Es ist nicht meine Aufgabe, die Folgen des digitalen Bezahlens zu ändern. Ein anderer Umgang mit Daten müsste politisch umgesetzt werden. Dadurch, dass immer mehr kontaktlos bezahlt wird, wird vielleicht auch das Bewusstsein für Fragen des Datenschutzes größer.