Ein Jahr nach Axt-Angriff am Düsseldorfer Hauptbahnhof "Ich muss immer hinter mich gucken"

Der Axt-Angriff am Düsseldorfer Hauptbahnhof ist genau ein Jahr her. Damals schlug der Täter der 14-jährigen Mara seine Waffe in den Arm. Die Wunde ist verheilt, doch das Mädchen hat noch viele Ängste und geht ungern allein vor die Tür.

Die 14-jährige Mara hat den Axt-Angriff noch nicht verarbeitet. Ob in der Nacht oder am Tag - immer wieder kommen die Erinnerungen hoch.

Die 14-jährige Mara hat den Axt-Angriff noch nicht verarbeitet. Ob in der Nacht oder am Tag - immer wieder kommen die Erinnerungen hoch.

Foto: Andreas Bretz

Mara C. wollte am 9. März 2017 gerade in die Bahn einsteigen, als sie von hinten angegriffen wurde. Eine Axt traf den Oberarm der heute 14-Jährigen. An viel mehr kann sie sich nicht erinnern.

Die Schülerin ist eines der Opfer eines 37-jährigen Mannes aus dem Kosovo, der vor einem Jahr wahllos neun Menschen am Düsseldorfer Hauptbahnhof mit einer Axt verletzt hatte, einige von ihnen schwer. Kurz nach der Tat konnte der Mann festgenommen werden. Dem psychiatrischen Gutachter erzählte der Täter, er habe Stimmen gehört, die ihm befahlen: "Du musst jetzt einschlagen auf die Menschen, jetzt oder nie." Im Prozess wurde er daraufhin für schuldunfähig erklärt und ist nun dauerhaft in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht.

Mara hat den Angriff noch lange nicht vergessen. "Ich denke oft daran zurück", erzählt sie mit leiser Stimme. Allgemein ginge es ihr zwar wesentlich besser als unmittelbar nach dem Angriff, "aber das alles belastet mich schon noch sehr", sagt die 14-Jährige. So kämen die Erinnerungen in den verschiedensten Situationen immer wieder hoch. Ob abends beim Einschlafen oder in Träumen, genauso aber auch tagsüber zu Hause, in der Wohnung. "Ich muss dann immer hinter mich gucken, um zu schauen, ob dort jemand ist", so Mara.

Während eine zwölf Zentimeter lange Wunde in ihrem Arm klaffte, musste die damals 13-Jährige mit ansehen, wie der Täter einer anderen Person mit der Axt auf den Kopf schlug. Geistesgegenwärtig schloss der Lokführer kurz darauf die Türen des Zugs, rettete somit wohl Leben, denn der Täter blieb auf dem Bahnsteig zurück. "Man konnte den Mann mit der Axt aus der Bahn heraus sehen, er wirkte sehr aggressiv", erzählte das Mädchen wenige Tage nach dem Angriff. Zunächst versorgte sie niemand. "Eine Frau war kurz bei mir, aber als sie meine Wunde sah, ging sie weiter", so Mara. Schließlich wurde Antonia Dicke, damals RP-Praktikantin, auf die Schülerin aufmerksam und kümmerte sich um sie.

Mara musste nach der Tat fünf Tage im Krankenhaus verbringen. Die Narbe an ihrem linken Arm wird sie ihr Leben lang an den Angriff erinnern. Zwar ist die Wunde gut verheilt, die 14-Jährige hat aber noch oft starke Schmerzen. "Die kommen plötzlich, ohne Auslöser, und nicht nur dann, wenn ich mich beispielsweise stoße", sagt sie. Außerdem sei es schwierig, schwere Dinge mit dem Arm zu heben.

Schlimmer als die physischen sind aber die psychischen Folgen. So war das Mädchen aufgrund des Erlebten vier Monate von der Schule freigestellt, und zwar vor allem, weil Mara nicht schlafen und sich dementsprechend nicht konzentrieren konnte. Auch jetzt noch ist die Klassenlehrerin über derartige Probleme informiert. Professionelle Hilfe bekam Mara von einer Psychologin. Aber auch mit ihrer Familie und Freunden spricht sie ab und zu über den Angriff. "Ich habe einen Freund in der Schule, der fragt mich immer mal wieder, wie es mir damit geht", so die Schülerin.

Auch die Mutter der 14-Jährigen denkt noch häufig an das zurück, das ihrer Tochter zugestoßen ist. "Ich bin froh, dass es ihr gut geht, es hätte auch anders kommen können", sagt sie.

Für die Zukunft wünscht sich Mara, dass ihre Ängste wieder zurückgehen. Denn auch jetzt noch geht sie ungern allein auf die Straße, fährt ungern Bus oder Bahn. "Ich versuche, immer Freunde oder meine Familie bei mir zu haben, wenn ich unterwegs bin", erzählt sie. Und in öffentlichen Verkehrsmitteln gucke sie sich die Leute um sich herum mittlerweile genau an. Generell sei sie aber weniger draußen unterwegs als vor dem Angriff. Außerdem hat sie einen großen Wunsch: "Dass es auch meiner Familie wieder besser geht", so die 14-Jährige.

(sno)
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