Ausstellung in Düsseldorf Das Erbe der Glashütte

Gerresheim · 2014 wurde in einem Keller auf dem Gelände der ehemaligen Glashütte eine Musterflaschensammlung entdeckt. 7000 der Glaserzeugnisse konnten geborgen werden. Jetzt werden 350 Flaschen erstmals öffentlich gezeigt.

 Peter Henkel sowie das Ehepaar Gaby und Peter Schulenberg (v. l.) haben die Ausstellung im Gerresheimer Bahnhof  konzipiert.

Peter Henkel sowie das Ehepaar Gaby und Peter Schulenberg (v. l.) haben die Ausstellung im Gerresheimer Bahnhof konzipiert.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Es begann mit einem Rüffel: Ein Schatz aus Glas befinde sich noch in einem Luftschutzkeller auf dem ehemaligen Glashüttengelände, mahnte Otfried Reichmann, als die Abrissarbeiten längst im Gange waren. Der ehemalige Mitarbeiter gilt als Autorität, was das Werk und seine Erzeugnisse betrifft, ihm wird Gehör geschenkt. Mitglieder des Förderkreises Industriepfad setzten sich mit dem damaligen Besitzer Patrizia in Verbindung, und in der Tat: Im Sommer 2014 wurde der Keller hinter Bauschutt und Brennesseln entdeckt, ein 15 Meter langer, dunkler Gang, vollgestellt mit Regalen, gefüllt mit 10.000 Glaserzeugnissen aus der Produktion zwischen 1950 und 1990 – Musterflaschen, Einmachgläser, Reagenzgläser. Die Exponate in der vorderen Reihe trugen Etiketten mit Nummern und oft auch handschriftlichen Zusätzen.

Dieser Schatz musste gehoben werden, so viel war klar. Das gestaltete sich so einfach aber nicht. Den rund 20 enthusiastischen Helfern unter Leitung von Gaby und Peter Schulenberg gelang es jedoch, Transportkisten aufzutreiben, einen Gabelstapler und einen Lastwagen zu organisieren und letztlich auch einen (geheimen) Lagerplatz für den Glasschatz zu finden. 7000 Objekte konnten geborgen werden, rund 3000 weitere fielen den Baggern zum Opfer. Natürlich war damit die Arbeit noch lange nicht beendet. Im März 2017 begannen die Schulenbergs mit der Aufgabe, die Geheimnisse der Flaschen zu entschlüsseln. Noch immer sind die Wissenschaftler nicht fertig damit, rund 1000 Flaschen fehlen bis heute.

Das Hauptgeschäft der Glashütte lag in der Produktion von Standardbehältern mit hohem Wiedererkennungswert. Die modernste der vollautomatischen Maschinen konnte in den 90er Jahren bis zu 600 Flaschen in einer Minute ausspucken. Es gab aber auch Exoten, etwa die Afri-Cola-Flasche in den 60er Jahren mit den beiden seitlichen Einbuchtungen. Der Düsseldorfer Werbedesigner Charles Wilp entwarf dazu die ausgefallene, ziemlich verruchte Werbekampagne. 40 Jahre Nachkriegsgeschichte haben die Schulenbergs auf diese Weise dokumentiert, ein kleines Kapitel vielleicht nur, das aber immerhin auch das veränderte Trinkverhalten der Deutschen zeigt: In den 60er Jahren hatte die Pfandflasche plötzlich ausgedient, Ex und Hopp war angesagt. Kunststoff löste dann ab Mitte der 70er Jahre zunehmend Glas ab, Pfand, Mehrweg und Recycling gewannen an Gewicht, die Gerresheimer Glashütte verpasste die Wende jedoch. Die lange Zeit größte Glasfabrik der Welt, die 8000 Menschen beschäftigte, musste 2005 geschlossen werden.

 Die Afri-Cola-Flasche wurde in Gerresheim produziert.

Die Afri-Cola-Flasche wurde in Gerresheim produziert.

Foto: Marc Ingel

Das alles zeigt jetzt eine Ausstellung im Gerresheimer Bahnhof unter dem Titel „Vorsicht zerbrechlich!“. Der (inzwischen umbenannte) Förderkreis Industriepfad Düsseldorf präsentiert 350 der geborgenen Flaschen, erzählt die Etappen der Bergung des Glasschatzes nach und hat auch einen Arbeitsplatz nachgebaut, an dem während der Ausstellung das „Leergut“ weiter dokumentiert werden soll.

Ende des Jahres wollen die Schulenbergs mit ihrer mühsamen Arbeit fertig sein. Und dann? Ab mit dem Werk den Altglascontainer? Oder zumindest doch wieder nur in ein Lager? Mitnichten, gibt der Förderkreis Industriepfad auf diese Fragen folgende Antwort: „Natürlich besteht der Wunsch nach einem festen Archivraum für die endgültige Lagerung und teilweise Präsentation der industriegeschichtlichen Sammlung in einem der drei erhaltenen Glashüttendenkmäler.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort