Rockerkrieg Auf ein Bier mit den Höllenengeln

Düsseldorf · Bei der Razzia gegen Rockerbanden hat die Polizei am Mittwoch in einer Rockerkneipe in Düsseldorf-Gerresheim mehrere Mitglieder des "Clan 81" festgenommen. Die Kneipe gilt als Treffpunkt für Sympathisanten und Mitglieder der Hells Angels. Wie sieht ein Abend in der Rocker-Höhle aus? Ortstermin in der "Red Pearl".

Gastronom Thomas Thönes vor seiner Kneipe "Red Pearl". Das Lokal in Düsseldorf-Gerresheim gilt als Treffpunkt für Sympathisanten und Mitglieder der Hells Angels.

Gastronom Thomas Thönes vor seiner Kneipe "Red Pearl". Das Lokal in Düsseldorf-Gerresheim gilt als Treffpunkt für Sympathisanten und Mitglieder der Hells Angels.

Foto: Foto: Andreas Bretz

Bei der Razzia gegen Rockerbanden hat die Polizei am Mittwoch in einer Rockerkneipe in Düsseldorf-Gerresheim mehrere Mitglieder des "Clan 81" festgenommen. Die Kneipe gilt als Treffpunkt für Sympathisanten und Mitglieder der Hells Angels. Wie sieht ein Abend in der Rocker-Höhle aus? Ortstermin in der "Red Pearl".

Als das Bierglas lautstark zerspringt, ist es für einen Moment still im Raum. Die Gespräche an den Tischen verstummen, ein paar Rocker blicken sich um. Wird einer von ihnen etwas sagen? Wird man uns aus der Kneipe werfen? Nichts passiert. Die Gespräche der Rocker laufen weiter, vielleicht ist auch der Moment der Stille nur Illusion. In einem unbedarften Moment hatte ich das Glas falsch angefasst, die Kellnerin fegt die Scherben zusammen. Alles cool.

Wer die "Red Pearl" (Rote Perle) besucht, kommt nicht um ein Gefühl des Misstrauens umhin. Wie eine Trutzburg steht der große ehemalige Bunker im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim, in dem im Erdgeschoss die Rockerkneipe und darüber das Vereinsheim des Clan 81, eines Sympathisanten-Clubs der Hells Angels, untergebracht sind. Dem Bunker gegenüber liegt die ehemalige Glashütte, die mal die größte Glasfabrik Deutschlands war, heute aber nur noch eine Industrieruine ist.

Doch wer in der abendlichen Dämmerung vor der Rockerkneipe funkelndes Chrom blank gescheuerter Harley Davidson erwartet hat, sieht sich getäuscht. Kein einziges Motorrad vor der Tür. Stattdessen strahlt helles Licht aus der Red Pearl, im Innern sieht man überall an hohen Tischen Männer sitzen. Viele mit Glatze, viele mit den typischen Lederjacken, fast jeder mit der Statur eines Türstehers. Einer trägt eine Weste, auf der in großen altdeutschen Lettern "Meine Ehre, meine Heimat" steht. Wir treten ein, der groß gewachsene Mann an der Tür lächelt freundlich und winkt uns durch. Die Red Pearl ist schließlich kein offizielles Clubhaus der Hells Angels, sondern eine Kneipe, deren Wirt nur "zufällig" ein Sympathisant des Rockerclubs ist. Zur Eröffnung des Clubs im November hatte Thomas Thönes auch Nachbarn des Bunkers und Gerresheimer Bürger eingeladen.

Wir bahnen uns einen Weg zur Theke. Hätte ich vor dem Besuch meine alte Lederjacke aus dem Schrank geholt, hätten mich vielleicht weniger Blicke beim Gang durch das Lokal verfolgt. 30 Rocker sind es mindestens, die bei Kaffee, Bier oder Whiskey-Cola auf den Hockern sitzen — die kleine Red Pearl ist heute gut besucht. Die einzige Frau im Lokal steht hinter der Theke und zapft Bier in Gläser, auf denen eine von Flammen umringte "81" geprägt ist. Die Zahlen symbolisieren den ersten und achten Buchstaben im Alphabet: die Initialen der Hells Angels. Auch die vorherrschenden Farben im Clubhaus sind kein Zufall: Rot und Weiß sind die offiziellen Farben der Höllenengel, der Hintergrund der Webseiten und die Farben der Rockerwesten sind oftmals in Schwarz gehalten. Rot und schwarz sind dementsprechend die Wände im Clubhaus, die Stehtische, und der offizielle Hells-Angels-Kalender an der Wand mit zahlreichen Fotos von schnittigen Motorrädern.

Die Messerstecherei von Mönchengladbach

Seit der blutigen Auseinandersetzung von Hells Angels und Bandidos in Mönchengladbach Mitte Januar stehen die Rocker wieder im Rampenlicht des öffentlichen Interesses. Die Polizei unterstellt den Motorradgangs organisierte Kriminalität, die Clubs sollen im Türsteher- und Rotlichtmileu mafiaartige Strukturen aufgebaut haben. Nach mehreren gewaltsamen Auseinandersetzungen der Rockerbanden untereinander war im Mai 2010 offiziell Ruhe eingekehrt: Die Bosse von Hells Angels und Bandidos schlossen per Handschlag symbolträchtig Frieden. Die Polizei ging von einem Ablenkungsmanöver aus, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Wie auch immer: Seit dem Zwischenfall in Mönchengladbach scheint die Waffenruhe beendet zu sein.

Denn bei der Messerstecherei mit mehreren Verletzten waren auch Chapter-Mitglieder aus Leverkusen, Bochum, Oberhausen, Mülheim, Essen und Duisburg beteiligt. Die Polizei wurde in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Zwei Tage später schauten 250 Einsatzkräfte auch in der Red Pearl vorbei. Bei der Razzia wurden Schlagstöcke, Baseballschläger und Messer sichergestellt. Später soll die Polizei bei einer weiteren Razzia in dem Bunker, in dem das Clubheim untergebracht ist, eine riesige Cannabis-Plantage entdecken und sowohl den Präsidenten des Clan 81 als auch mehrere andere Rocker festnehmen.

Doch davon ahnen wir noch nichts, als wir die Kneipe betreten. Während unseres Besuchs sind die Mitglieder gerade dabei, ihre Versammlung am späteren Abend zu planen. Mutmaßlich werden sie sich eine Strategie zurechtlegen: Wie wird der "Clan 81" auf die Rocker-Schlägerei in Gladbach reagieren? Wird er den befreundeten Hells Angels seine Unterstützung anbieten? Soll sich der Verein besser offiziell von den Auseinandersetzungen distanzieren? Oder sind sie längst in den Rockerkrieg hineingezogen worden?

Keine Gespräche über den Rockerkrieg

Kneipenchef Thomas Thönes, den ein Aufnäher auf seiner Lederweste als "Secretary" des Clubs aufweist, will mit uns darüber nicht sprechen. Immerhin: Wir dürfen an der Theke sitzen bleiben und unser Bier trinken. Das Alt kostet 1,50 Euro, aber eigentlich zahlt man hier gar nicht in bar. Ob wir denn keine Clubkarte hätten? Vielleicht beim nächsten Mal.

Auch wenn wir selbst keine weiteren Clubmitglieder ansprechen, um den Chef nicht zu verärgern, werden wir von anderen Gästen durchaus wahrgenommen. Mehrere Neuankömmlinge kommen auf uns zu, grüßen uns, stellen sich kurz vor. Man könnte sich fast aufgenommen fühlen in die Gemeinschaft aus großen Männern, die laute Rockmusik hören und uns durchaus freundlich behandeln. In ihren offiziellen Statements haben sich die Clan-Mitglieder als "offene Männer mittleren Alters" vorgestellt, die Drogen und Gewalt kategorisch ablehnen und einfach gerne Motorrad fahren. Wie viel davon ist wahr, wie viel Schönfärberei?

Draußen umweht uns die frische Gerresheimer Nachtluft. Wir atmen tief ein. Niemand verfolgt uns.

(gre)
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