Serie Düsseldorfer Straßen Auf den Spuren von Großmutter Ria

Düsseldorf · Im neuen Oberkasseler Wohnquartier "Belsenpark" ist eine Straße nach der Schauspielerin Ria Thiele benannt. Enkelin und Ur-Enkelin freuen sich über die Würdigung ihrer Ahnin, die sie beide noch erlebt haben.

 Christiane Cremer und ihre Tochter Olivia freuen sich über das Straßenschild mit dem Namenszug ihrer Groß- und Urgroßmutter.

Christiane Cremer und ihre Tochter Olivia freuen sich über das Straßenschild mit dem Namenszug ihrer Groß- und Urgroßmutter.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Oberkassel Christiane Cremer und ihre Tochter Olivia konnten es zunächst nicht fassen: Eine Straße in Oberkassel nach "unserer Mimi" benannt - das musste erst einmal realisiert werden. Doch dann stellte sich pure Freude ein. Und flugs eilten sie in den Belsenpark zu jener Straße, die nach ihrer Oma Ria Thiele benannt ist. Und auch Mutter Lydia Cremer, die mit ihrem Ehemann, dem Maler und Grafiker Wilhelm Cremer, am Bodensee lebt, reiste an, um sich zu vergewissern, dass die Ehrung für ihre Mutter tatsächlich für alle sichtbar ist. "Unserer Großmutter würde das enorm gefallen", sagt Enkelin Christiane und fügt schnell hinzu: "Aber sie sieht ja alles von oben."

Ria Thiele - ein Name, der vielen Rätsel aufgibt, vor allem denen, die direkt an der Straße im schicken Wohnquartier wohnen. Denn kaum jemand weiß, dass sie einst das "Entzücken der Stadt Düsseldorf" war, bevor sie in der Ferne eine internationale Karriere begann.

1904 in Kleve geboren wuchs Ria Thiele in Oberkassel auf. Schon früh zeigte sich ihr Talent, als sie als Neunjährige in der Rolle des Christkinds in der Auferstehungskirche auftrat. Schon damals wusste sie: Ich werde Schauspielerein, Sängerin und Tänzerin." Und die Eltern unterstützten sie, denn schon mit 15 Jahren begann sie eine Ausbildung an der Hochschule für Bühnenkunst, die Theaterintendantin Louise Dumont und und ihr Ehemann Gustav Lindemann führten. Schon während dieser Zeit bekam das junge Mädchen Rollenangebote. Zum Beispiel trat es als "Wendla" in Wedekinds "Frühlingserwachen" auf. Waren Rias Eltern entsetzt über die Rolle der Tochter (Wendla wurde von einem Mitschüler schwanger), so kannte die Begeisterung der Lehrmeisterin über das schauspielerische Talent ihres Zöglings keine Grenzen. "Du bist das Entzücken der Stadt, das köstlichste Talent, das wir haben."

Rias Schauspielkollege war Gustaf Gründgens. Er wohnte an der Glücksburger-, sie an der Belsenstraße, wo sich auch der "Gloria-Palast" befand (es hat einem Wohnhaus Platz gemacht). Dort gab es eine Bühne, auf der die beiden in Ergänzung zu ihrer Ausbildung probten. Noch mit 90 Jahren erinnerte sich Ria Thiele gerne an diese Zeit. Die junge Ria schickte sich nun an, die Bühnen Europas zu erobern. "Die Kritiker reagierten geradezu euphorisch - was Hunderte an Zeitungsausschnitten belegen, die Ria in einer Ledermappe sammelte. Eine glanzvolle, ungetrübte Karriere, die in krassem Gegensatz zum übrigen Leben der Schauspielerin stand. Verheiratet mit dem jüdischen Fabrikanten Karl Levinger blieben ihr Verfolgung und Exil nicht erspart. Über ihr Schicksal verfasste sie ein Buch mit dem Titel "...und mir wuchsen Flügel." Ein weiteres Buch entstand über ihr künstlerisches Leben im Triltsch-Verlag.

Nach dem Krieg kam Ria Thiele ganz nach Düsseldorf zurück, nahm aber keine Rollenangebote mehr an, obwohl Gründgens, damals Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, ihr den Weg zurück ebnen wollte. Bis zu ihrem Tod 1996 lebte sie im Kreis ihrer großen Familie an der Düsseldorfer Straße. Ihr Grab befindet sich auf dem Heerdter Friedhof. Rias Tochter Lydia, geboren 1937 in Wien, hat das tänzerische Talent ihrer Mutter geerbt und betrieb eine Ballettschule an der Brend'amourstraße - bis die Familie das Haus verkaufte und an den Bodensee wechselte. Auch Rias Enkelin Christiane hat sich dem Ballett verschrieben und lehrt Tanz an der Folkwangschule in Essen. Die Großmutter habe sie inspiriert und ihr den Weg zum Tanz geebnet. "Immer, wenn wir auf der Rheinallee spazieren gingen, tanzten und hüpften wir über die Wege. Ich profitiere heute noch davon."

(RP)
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