Denkmal Düsseldorf "Auf dem Weg zur gleichförmigen Stadt"

Düsseldorf · Der Denkmalschutz findet in der Stadt nicht genügend Beachtung, sagen Ingo Schiweck und Thorsten Graeßner. Sie haben einen Verein gegründet, der sich dem Thema widmet. Im Interview sprechen sie über Düsseldorfs vergessene Schätze.

 Thorsten Graeßner und Ingo Schiweck (v.l.) an der Kasernenstraße vor dem alten Commerzbank-Hochhaus. Sie sorgen sich um das Gebäude.

Thorsten Graeßner und Ingo Schiweck (v.l.) an der Kasernenstraße vor dem alten Commerzbank-Hochhaus. Sie sorgen sich um das Gebäude.

Foto: anne Orthen

Treffpunkt zum Interview mit Ingo Schiweck und Thorsten Graeßner ist am alten Commerzbank-Hochhaus an der Kasernenstraße. Rund um das unter Denkmalschutz stehende Gebäude soll ein neuer Bürogebäudekomplex entstehen. Die Arbeiten laufen - allerdings nicht ohne Komplikationen: Vor Kurzem ist ein Feuer in dem Hochhaus ausgebrochen. Die beiden Initiatoren von "Denkmal Düsseldorf" beobachten die Arbeiten mit Sorge. Sie haben Angst, dass durch den Neubau der Charakter des Gebäudes zerstört wird - wie es in ihren Augen nur zu oft in Düsseldorf passiert. Ein Gespräch über Denkmäler, historische Bauten und ihre Bedeutung für die Stadt.

Herr Schiweck, Herr Graeßner: Warum eigentlich Denkmäler? Wieso sind sie für Sie so wichtig?

Ingo Schiweck Im Düsseldorfer Stadtbild kann man an vielen Stellen Kulturgeschichte der vergangenen 150 Jahre ablesen - noch. Verschwinden die Bauten, geht mit ihnen auch immer ein Stück Geschichte verloren. In Düsseldorf passiert das leider heute ziemlich schnell. Gegen diesen Trend wenden wir uns.

Thorsten Graeßner Durch die Neubauten, die alle irgendwie gleich aussehen, sind wir auch auf dem Weg zur gleichförmigen Stadt. Im Sinne kurzfristiger Rendite lohnt sich das sicherlich für Investoren, aber für die Menschen, die mit den Gebäuden in dieser Stadt leben müssen, ist das eine Beleidigung. Wir möchten deshalb an die Investoren und ihre Architekten appellieren, mit den bestehenden Bauten rücksichtsvoller und kreativer umzugehen.

Welche Definition haben Sie genau von Denkmal: Kümmern Sie sich vor allem um Häuser oder auch zum Beispiel um Skulpturen?

Schiweck Wir haben zwar vor allem gefährdete Gebäude im Blick, aber es geht uns um alle historisch wertvollen Objekte im öffentlichen Raum, die verwahrlost werden oder gar vor dem Verschwinden stehen. Zum Beispiel ärgere ich mich über den Umgang der Stadt mit den alten grünen Handläufen an der Düssel. Viele sind leider schon durch hässliche graue ersetzt worden. Und an andern Stellen lässt die Stadt sie verrotten, bis sie nicht mehr zu retten sind. Die Stadt müsste sich schon wegen des Nachhaltigkeitsgedankens mehr um die alten Handläufe kümmern.

Was läuft Ihrer Ansicht nach in der Denkmalpflege in Düsseldorf alles schief?

Schiweck Alte Bauten werden hier viel zu oft als Verfügungsmasse gesehen. Investoren haben in Düsseldorf leichtes Spiel: Stadtspitze und Politik machen ihnen viel zu große Zugeständnisse, wenn ein Abriss beantragt wird. Selbst wenn Bauten schon unter Denkmalschutz stehen, können sie in Gefahr geraten.

Graessner Der Denkmalschutz in Düsseldorf ist falsch organisiert: Das Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege ist bei der städtischen Bauaufsicht angesiedelt - da muss es doch zu Interessenkonflikten kommen. Zum Vergleich: In Köln gehört das Institut zum Dezernat für Kunst und Kultur. Seit einem Dreivierteljahr steht der Denkmalschutz in Düsseldorf zudem ohne Leitung da, und das gesamte Düsseldorfer Denkmalschutzteam umfasst nur fünf Leute.

Sie haben neulich für Aufregung gesorgt, weil sie eine Liste der Stadt zu alten Gebäuden, die abgerissen werden sollen, heftig kritisiert haben. Was hat es damit auf sich?

Schiweck Diese Liste bekommen die Mitglieder des Ausschusses für Planung und Stadtentwicklung vorgelegt. Sie enthält die Bauten in Düsseldorf, die abgerissen werden sollen. Wir fordern, dass diese Liste öffentlich wird und zum Beispiel auf der Internetseite der Stadt zu finden ist. Dann können sich Bürger darüber informieren, was abgerissen werden soll, und wenn nötig dagegen aktiv werden.

Graeßner Zurzeit ist es so, dass Abrissanträge in den Sitzungen der Bezirksvertretungen nur dann behandelt werden, wenn sich das Gebäude im Bereich einer Erhaltungssatzung befindet oder im Zuge eines Neubauvorhabens abgebrochen werden soll. Wer also herausfinden möchte, ob ein historisches Gebäude in Gefahr ist, muss recherchieren. Das tun die wenigsten Politiker. Wir machen das, und wo etwas falsch läuft, alarmieren wir den Denkmalschutz.

Was tun Sie noch für den Denkmalschutz?

schiweck Bei denkmalgeschützten Gebäuden, an denen gearbeitet wird, schauen wir genau hin. Bei der Commerzbank von Paul Schneider-Esleben an der Kasernenstraße zum Beispiel habe ich neulich beobachtet, dass unten am Gebäude Glasscheiben angebracht werden sollen. Das sehe ich skeptisch und habe den Denkmalschutz kontaktiert, bislang allerdings keine Antwort bekommen.

An welchen Stellen ist denn die Kombination zwischen Altem und Neuem gut gelungen und wo weniger?

Schiweck Sehr viel schiefgegangen ist bei der ehemaligen WestLB. Da ist nur ein ganz alter Fassadenteil des jetzt abgerissenen Gebäudes am Fürstenwall erhalten worden, den man schon in den Neubau von 1950-52 integriert hatte. Dieser Abriss war dann auch ausschlaggebend für die Vereinsgründung. Gut funktioniert hat dagegen die Eingliederung eines alten Ringofens in ein neues Wohngebiet in Ludenberg. Der Ofen steht einfach mitten zwischen den Gebäuden - und ist wirklich Teil der Siedlung.

Wenn man über Neubauten in Düsseldorf und über Denkmäler spricht, kommt man am Kö-Bogen und dem Abriss des Tausendfüßlers nicht vorbei. Wie haben Sie das bewertet?

Graeßner Da sind wir unterschiedlicher Ansicht. Ich komme aus Hamburg, und als ich vor vielen Jahren nach Düsseldorf gezogen bin, habe ich mich gefragt, was das soll. Für mich war der Tausendfüßler ein Symbol für die autogerechte Stadt und deshalb war ich froh, als er weg war. Schiweck Ich war strikt gegen den Abriss. Der notabene denkmalgeschützte Tausendfüßler war mit dem Dreischeibenhaus und dem Schauspielhaus Teil eines historischen Ensembles. Und es war doch großartig, über eine Brücke durch die Stadt zu fahren und einfach mal mitten in ein Modekaufhaus hineinzuschauen!

Zwei wichtigen Düsseldorfer Bauten geht es gerade nicht sehr gut: der Oper und dem Schauspielhaus. Haben Sie Sorge um diese Gebäude?

Schiweck Relativ wenig, weil beide Gebäude sehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Auch wenn der Tausendfüßler gezeigt hat, was möglich ist: Wir beobachten die Entwicklung, sorgen uns aber mehr um unbekanntere historische Bauten, die potenziell weniger Fürsprecher haben.

Haben Sie da ein Beispiel?

Schiweck An der Brunnenstraße 27 steht ein Haus von 1890 mit einem Pferdekopf - ein Stück Bilker Geschichte. Das will der Eigentümer abreißen. Da schauen wir mit großer Sorge drauf. Gleiches gilt für ein richtig altes Haus an der Oberbilker Allee, ursprünglich von 1856. Leider ist für dieses Gebäude gerade der Abriss beschlossen worden.

Was muss sich denn ändern?

Graeßner Der Denkmalschutz in Düsseldorf muss reformiert werden: Die Behörde darf nicht bei der Bauaufsicht angesiedelt sein, und sie braucht dringend einen neuen Leiter. Außerdem brauchen wir mehr historisches Bewusstsein: Die Düsseldorfer müssen besser verstehen, wo sie leben, welche Schätze sie umgeben. Schiweck Schließlich muss auch die Abrissliste öffentlich sein, damit sich die Bürger besser für das gefährdete Architekturerbe ihrer Stadt engagieren können.

LAURA IHME FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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