Ingrid Herden von der Bundeswehr "Auch bei uns nehmen Männer Elternzeit"

Düsseldorf · An der Spitze des Karrierecenters Bundeswehr steht in Düsseldorf eine Frau. Ein Gespräch über Militär als Arbeitgeber.

 Als Ingrid Herden 1988 bei der Bundeswehr anfing, war sie oft bei Besprechungen die einzige Frau. Das ist heute anders — sogar die Spitze des Verteidigungsministeriums ist mit Ursula von der Leyen erstmals weiblich besetzt.

Als Ingrid Herden 1988 bei der Bundeswehr anfing, war sie oft bei Besprechungen die einzige Frau. Das ist heute anders — sogar die Spitze des Verteidigungsministeriums ist mit Ursula von der Leyen erstmals weiblich besetzt.

Foto: Anne Orthen

Frau Herden, Sie leiten als Beamtin das Karrierecenter der Bundeswehr. Wären Sie gerne Soldatin geworden?

Herden Als ich nach dem Abitur beschloss, Jura zu studieren, habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Die Bundeswehr war ein Arbeitgeber. Sie war mir nicht fremd, weil mein Bruder dort war. 1988 habe ich mich beim Verteidigungsministerium in Bonn beworben.

Waren Sie damals die einzige Frau?

Herden Nein, es gab schon Frauen in der Verwaltung, im militärischen Bereich im Sanitätsdienst und in der Militärmusik. In anderen militärischen Laufbahnen waren Soldatinnen aber erst ab 2001 zugelassen.

Was hat Sie fasziniert?

Herden Die Breite der Aufgabe. Personalwesen, Beschaffung, dazu die Möglichkeit, im Ausland arbeiten zu können. Diese Vielfalt habe ich bei kaum einer Firma.

Wie ist es als Frau in einer Männerdomäne?

Herden Als ich anfing, war ich bei jeder Besprechung die einzige Frau. Das ist heute nicht mehr so. Ich hatte damit aber nie ein Problem und auch nicht das Gefühl, dass die Männer eins hatten.

Wie sieht es bei der Bundeswehr mit Frauen in Führungspositionen aus?

Herden In Deutschland gibt es acht Karrierecenter dieser Größe, vier werden von Offizieren geleitet, vier von zivilen Beamtinnen wie mir. Auch hier im Haus ist die Hälfte der Führungspositionen weiblich besetzt.

Zuvor leiteten Sie die Kreiswehrersatzämter Düsseldorf und Köln ....

Herden Ja, ich war fünf Jahre lang in Düsseldorf und vier Jahre in Köln zuständig für die Wehrpflichtigen und freiwillig Wehrdienstleistenden. Es gab in NRW elf solcher Ämter. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht wurden sie aufgelöst. Als Leiterin des Düsseldorfer Karrierecenters ist meine Aufgabe, Nachwuchs bei Soldaten und zivilen Beamten zu werben und zu gewinnen.

Welche Felder sind das konkret?

Herden Mannschaftsdienstgrade, Unteroffiziere, der mittlere nicht-technische Verwaltungsdienst, aber auch Feuerwehrleute.

Wie schwer ist es, Nachwuchs für eine Freiwilligenarmee zu gewinnen?

Herden Wir haben mehr Bewerber als Stellen. Die 23 Karriereberatungsbüros in NRW werben aktiv auf Messen und in Schulen. Interessierte können sich beraten lassen und eine Bewerbung abgeben. Wenn sie eingeladen werden, durchlaufen sie im Karrierecenter in Düsseldorf ein zweitägiges Assessment. Sie machen einen Gesundheitscheck, eine psychologische Testung, einen Sporttest und ein Prüfgespräch.

Wie viele Bewerber haben Sie?

Herden In diesem Jahr etwa 12 000 nur im Zuständigkeitsbereich NRW. Davon stellen wir 1700 als Soldaten auf Zeit und 2300 als freiwillig Wehrdienstleistende ein.

Wer sind die Bewerber?

Herden Die ganze Bandbreite, alle Schulformen von Hauptschülern bis Gymnasiasten, auch Bewerber mit Berufsausbildung.

Wie verhindern Sie, dass politisch Extreme oder zu Schießwütige bei der Bundeswehr landen?

Herden Neben gesundheitlichen Tests setzen wir bei der Auswahl auch ein computergestütztes adaptives Testverfahren ein - je schlauer der Bewerber ist, desto schwieriger sind die Fragen. Hinzu kommt ein einstündiges Gespräch mit militärischen Prüfern und zivilen Psychologen mit Fragen zu grundsätzlichen Einstellungen des Bewerbers. Und bei der medizinischen Untersuchung achtet der Arzt auf entsprechende Tätowierungen. So entsteht ein Gesamtbild.

Und das funktioniert?

Herden Von Ausnahmen abgesehen, bekommt man auf diesem Weg viel über den Bewerber heraus und kann verhindern, dass die Falschen eingestellt werden. Aber das Schöne ist doch jetzt, dass die Bewerber freiwillig zu uns kommen. Ich habe noch Zeiten erlebt, als vor unserem Amt Polizeiautos standen, um Wehrpflichtige vorzuführen.

Die Musterung war damals für viele junge Männer angstbesetzt. Wie schafften Sie den Imagewandel?

Herden Ich hatte schon immer in meiner Behörde dafür gesorgt, dass die Wehrpflichtigen anständig behandelt werden. In Schulungen habe ich immer wieder klargemacht, dass wir um den Nachwuchs werben müssen. Die Bundeswehr ist ein spezieller Arbeitgeber, aber eben einer unter vielen. Ein Pluspunkt ist, dass wir eine klare Perspektive aufzeigen können. Jeder angenommene Bewerber weiß sehr genau, wo er anfängt und was seine Aufstiegsmöglichkeiten sind.

Afghanistan, jetzt die Debatte über Bodentruppen in Syrien - wirkt es nicht abschreckend, wenn man damit rechnen muss, in solchen Krisengebieten eingesetzt zu werden?

Herden Auch wenn es Sie erstaunt, das ist nicht der Fall. Wir gehen damit offen um, die Bewerber werden auch über Tod und Verletzungen genau informiert. Sie wissen also, worauf sie sich einlassen. Das schreckt sie nicht ab, eher die Eltern. Junge Leute sind da wagemutiger. Inzwischen sind die Auslandseinsätze aber in der Gesellschaft angekommen.

Was ist die Motivation?

Herden Manche wollen ihren Beitrag zur Landesverteidigung leisten, der eine oder andere kommt auch aus der Arbeitslosigkeit, andere überbrücken die Wartezeit, bis ein Studienplatz frei wird.

Welche Rolle spielt dabei Geld?

Herden Sicherlich auch eine, denn für Auslandseinsätze gibt es Zulagen. Geld darf aber nicht die zentrale Rolle spielen.

Wie lange dauern Auslandseinsätze?

Herden Vier bis sechs Monate. Es werden auch Zivilkräfte ins Ausland geschickt, dann aber in Uniform, damit sie besser geschützt sind. Eine Kollegin von mir war gerade als "Frau Hauptmann" drei Monate in Afghanistan.

Wann wird die Sprache endlich der Tatsache angepasst, dass es auch Frauen bei der Bundeswehr gibt?

Herden Darauf warte ich auch.

Mit Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin steht erstmals eine Frau an der Spitze des Heers. Was hat sich dadurch geändert?

Herden Viel. Sie hat sehr schnell mit einer Attraktivitätsoffensive und der Verbesserung der sozialen Rahmenbedingungen begonnen. Das Wohlfühlen auch in diesem Beruf spielt eine größere Rolle, ebenso Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich glaube, dass Frau von der Leyen diese Themen wichtig sind. Ich habe allein hier bei mir auf dem Flur drei Soldatinnen, die auch Mütter sind.

Belächeln die Männer in der Bundeswehr solche Vorstöße?

Herden Nein, sie profitieren auch davon. Es kommt auch bei uns vor, dass Männer Elternzeit nehmen.

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(dr)
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