Düsseldorf Asphalt-Festival beginnt mit Blumenorgie

Düsseldorf · Zum Auftakt des Sommerfestivals gab's ein hochkarätiges Gastspiel: Jan Fabres "Preparatio Mortis" - ein Solotanz über das Sterben.

5000 Blumen. Gladiolen, Chrysanthemen, Gerbera, geschnitten, um zu blühen. Und zu sterben. Sie bedecken die gesamte Bühne und duften so intensiv, dass einem schlecht werden könnte von diesem Zuviel an Betörung. Und es geht in Jan Fabres Stück "Preparatio Mortis" ja auch nicht um süße Verführung. Sondern um den Tod.

Aber erstmal ist Leben, Erwachen, zu sich Kommen. Die großartige, zähe, dann wieder verletzliche Tänzerin Annabelle Chambon aus Frankreich nimmt Fühlung auf mit der Welt. Sie liegt begraben unter einem Teil der Blumen auf einem Kasten, der sich als gläserner Sarg entpuppen wird. Wie eine Raupe, die aus dem Cocon schlüpft, schüttelt sie die blühende Last von ihrem Körper, beginnt ihren Tanz auf dem Blütenmeer, der bald zu einem Ringen wird. Sie zuckt und röchelt, schleudert die Blumen in die Luft, dass es Blütenblätter regnet. Aber das ist nicht übermütig, nicht harmlos. Es ist ein Kampf mit welkender Natur, und bald werden in diesem existenziellen Spiel erotische Gesten auftauchen, grob, triebhaft.

Dazu tost eine Orgel. Der belgische Künstler und Choreograf Jan Fabre hat die Musik von Bernard Foccroulle in einer Kirche gehört, und sie hat ihn zu diesem Stück inspiriert, in dem eine Tänzerin vor schönster Kulisse zugrundegeht. Die Szene wird dunkel, wieder hell, da liegt das Schneewittchen gefangen im gläsernen Sarg. Doch es ist nicht allein. 150 Schmetterlinge flattern um den nackten Körper der Tänzerin, die nun versonnen erotische Bilder an die beschlagenen Wände des Käfigs malt. Und der Zuschauer blickt in ein fremdes Reich.

Sterbende Blumen, gläserner Sarg, Raupe und Schmetterling - Fabre baut sein Stück aus Motiven, die man aus Märchen und Mythen kennt. Das wirkt im ersten Teil des Soloabends recht plakativ - es kann einem zu viel werden wie der intensive Duft der Blumen. Erst als Annabelle Chambon im Sarg zu ihrem zweiten Leben erwacht, wird das Stück geheimnisvoller, entwickelt mehr Eigentümlichkeit, größeren Reiz.

In der leider etwas arg dicht besetzten Halle 21 der alten Farbwerke, einem neuen, zusätzlichen Spielort des Asphalt-Festivals gleich gegenüber des angestammten Geländes an der Ronsdorfer Straße, erlebte das Sommerfestival mit Jan Fabre einen ungewöhnlichen Auftakt. "Biological acting" nennt der Belgier seine Bühnenkunst. Seine Tänzer nutzen ihre durchtrainierten Körper, um Zustände, Gefühlsregungen auszustellen, nicht, um Geschichten zu erzählen. Und so berühren sich Tanz und bildende Kunst. Mit diesem Gastspiel setzen die Asphalt-Gründer Bojan Vuletic und Christof Seeger-Zurmühlen die Arbeit eines etablierten Vertreters der flämischen Tanzszene an den Beginn. Das zeigt, wie das Festival einen Anspruch steigert. Seinen Charme gewinnt es allerdings vor allem durch Arbeiten, die sich auf die Stadt beziehen und weniger bekannten Gruppen aus der Off-Szene eine Bühne bereiten, die es in der Region zu entdecken gilt.

Die Sängerin Mariana Sadovska zum Beispiel, die aus der Ukraine stammt, in Köln lebt und in der Weltmusikszene einen großen Namen hat. Sie widmete ihren Auftritt ihren Landsleuten, die im aktuellen Konflikt für eine unabhängige Ukraine kämpfen. Sadovska macht auf muskalischem Feld das, was die Brüder Grimm im Reich der Märchen taten: Sie reist durch ihr Heimatland und sammelt auf den Dörfern altes Liedgut. Viele dieser Stücke wurden nie aufgezeichnet, Sadovska lässt sie sich beibringen und bewahrt sie so vor dem Verschwinden. In einem mal melancholischen, mal heiter und leidenschaftlichen Konzert ließ Sadovska die Lieder ihrer Heimat erklingen. Die Zuhörer konnten Überraschendes lernen. Etwa, dass es in der Ukraine erotische Wiegenlieder gibt: Die sollen dafür sorgen, dass das Kindlein schnell einschläft, weil die Mutter noch etwas vorhat.

Die Schirmherrschaft des Asphalt-Festivals hat Regisseur Sönke Wortmann übernommen, der zur Eröffnung die "besondere Atmosphäre" pries und lächelnd bekannte, dass er noch nie Schirmherr gewesen sei. Auch der designierte Oberbürgermeister Thomas Geisel sah sich das Gastspiel von Jan Fabre an und lobte das Engagement der Festivalmacher, die nur einen "sehr überschaubaren" Zuschuss der Stadt erhielten. Ein treues Publikum haben sie inzwischen gewonnen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort