Düsseldorf Als das Mammut nach Düsseldorf kam

Düsseldorf · In der Landeshauptstadt ist der Stoßzahn eines Ur-Tiers entdeckt worden. Mit Hilfe solcher Funde rekonstruieren Forscher den Alltag in der Eiszeit. Eine Geschichte über Wetter und Welt, Freunde und Feinde vor 14 000 Jahren.

Düsseldorf: Als das Mammut nach Düsseldorf kam
Foto: RP, Andreas Bretz

Der Himmel sieht purpurn aus. Ein trockener, eisiger Wind bläst über das Rheintal und wirbelt eine Menge Erde auf. Überall hängen staubige Wolken in der Luft. Sie verfärben den Blick aufs Firmament, sie verschlammen die kleinen und großen Flüsse, die von den Gletschern aus dem Norden kommen, und sie lassen nicht vielen Pflanzen eine Chance.

Ein paar wenig ansehnliche Gräser, Kräuter und Büsche wuchern in der Steppe, gelegentlich krümmt sich ein kümmerlicher Baum dazwischen. Es ist die schönste Zeit des Jahres. Es ist Hochsommer vor 14.000 Jahren.Die Temperaturen steigen selten über den Gefrierpunkt, der Boden taut bestenfalls an der Oberfläche auf und gibt ein paar Wasserlöcher frei, aber noch weniger Strapazen bietet die Natur am Ende der letzten Eiszeit den Mammuts nicht. Die braunschwarzen Kolosse trotten jeden Tag ins Rheintal, um zu grasen.

Mit ihren drei, vier Meter langen Stoßzähnen schaben sie Pflanzen frei, mit der Spitze ihres Rüssels packen sie nach den flachen Gewächsen, packen sie wie eine Hand, die in einem Fausthandschuh steckt, und stecken die kleinen Mengen, die sie erwischen, ins Maul.

Harte Lektion für kleine Mammuts

Sie kauen und kauen und kauen, dann erst folgt die nächste kleine Portion. Jeder Bissen hält für den nächsten Winter ein bisschen wärmer. Die Mammuts futtern sich bis zu zehn Zentimeter Speck an, der unter der Deckwolle und den ein Meter langen Haaren am besten gegen die bittere Kälte schützt. Ohren und Schwanz des Mammuts fallen so klein und so kurz aus, damit sie möglichst wenig Angriffsfläche für den frostigen Sturm bieten.Im Sommer leben die Mammuts spürbar auf. Sie bewegen sich viel, sie wachsen und freuen sich über die vielen Trinkgelegenheiten. Sie brauchen viel Flüssigkeit, deshalb kehren sie beinah täglich zu den Flüssen und Wasserlöchern zurück.

Im tiefsten Winter müssen sie im Zweifel Schnee fressen und mit ihrer kostbaren Körperwärme zu Wasser schmelzen. Eine harte Lektion, die den jüngsten in den Mammutherden noch bevorsteht. Sie sind am Ende des Frühlings zur Welt gekommen, als die Mütter bereits gutes Futter besaßen und noch genügend Monate vor sich hatten, um den Nachwuchs groß und stark zu ziehen sowie sich selbst wieder für die frostigen Monate vorzubereiten.

Die Männchen kämpfen derweil schon, weil die Paarungszeit wegen des einzig möglichen Geburtszeitpunktes sehr kurz ausfällt. Mit ihren Stoßzähnen und Schädeln suchen die Tiere ihre Stärksten.Während der täglichen Märsche durchs Rheintal und auf die Anhöhen an dessen Rand begegnen die Mammuts immer wieder anderen großen Säugetieren.

Da sind die Wollnashörner, störrische Einzelgänger mit einem langen und einem kurzen Horn auf der Nase, die Gräser mit sehr breitem Maul kauen. Da sind die Riesenhirsche, die wegen ihrer gewaltigen, jedes Jahr neu wachsenden Geweihe Wälder eher meiden und wie das Mammut nährstoffreiche Büsche bevorzugen. Und da sind die Moschusochsen, die sich in den Tälern am wohlsten fühlen, große Kälte aushalten, aber Niederschläge gar nicht leiden können.So wie die Vierbeiner durch die Steppe ziehen, um Nahrung zu finden, machen es die Menschen auch.

Im Sommer verlassen sie den Süden, drängen bis ins Rheintal und hoffen auf das ultimative Jagdglück in Form von zwei Tonnen Fleisch, Pelz, Knochen und Elfenbein für ihre Sippen. Mit Lanzen und Speerschleudern versuchen sie, die Dickhäuter zwischen die Augen, neben die Ohren oder hinter dem Brustbein zu treffen und so tödlich zu verwunden. Um nicht ständig in gefährliche Nahkämpfe mit den mehr als zwei Meter hohen Tieren ziehen zu müssen, graben die Jäger Löcher, die sie geschickt tarnen, oder versuchen das Mammut in einen Abgrund zu treiben.

Beute wird zu Schmuck

Zurück in den Höhlen im Süden verewigen die Menschen das Mammut in ihrer Kunst. In die Wände ritzten sie Figuren mit hohem Buckel, beulenartigem Kopf, Rüssel, Stoßzähnen und zottigem Pelz. Aus dem Elfenbein ihrer Beute formen sie Perlen für ihre Ketten.Selbst wenn also nicht die widrigen Umstände der Eiszeit, sondern die Menschen für den Tod des Düsseldorfer Mammuts verantwortlich waren, sie haben ihm vor 14.000 Jahren Respekt gezollt und werden es spätestens 2010 (siehe Info) wieder tun.

(RP)
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