Alkohol für eine 15-Jährige

Mönchengladbach/Düsseldorf · Jugendliche Testkäufer kontrollieren die Einhaltung des Jugendschutzes. Undenkbar oder die effektivste Möglichkeit, Gesetzesverstöße zu beweisen? Eine 15-Jährige machte für unsere Zeitung den Test. Alkohol, altersbeschränkte Videos, Zigaretten – alles konnte sie problemlos kaufen.

Jugendliche Testkäufer kontrollieren die Einhaltung des Jugendschutzes. Undenkbar oder die effektivste Möglichkeit, Gesetzesverstöße zu beweisen? Eine 15-Jährige machte für unsere Zeitung den Test. Alkohol, altersbeschränkte Videos, Zigaretten — alles konnte sie problemlos kaufen.

Miriam Ebel ist 15, nächsten Monat wird sie 16. Hin und wieder, sagt die Zehntklässlerin aus Mönchengladbach, würde sie älter geschätzt. Heute ist Miriam als Testkäuferin — mit Genehmigung ihrer Eltern — unterwegs.

Erster Test — ein Elektronikmarkt. Miriam greift zu einer DVD: "Bad Boys" mit Will Smith. Auf der gesicherten Verpackung klebt ein großer Hinweis: "Nicht geeignet unter 18 Jahren". An der Kasse der prüfende Blick, dann die Frage nach dem Alter. Miriam gibt an, dass sie 18 Jahre sei, ihren Ausweis habe sie leider nicht dabei. Die Kassiererin glaubt ihr. "Sie sah für mich aus wie 18", rechtfertigt sie sich hinterher. Außerdem sei so ein Film nicht so schlimm wie Alkohol.

Zweiter Test — ein Kiosk. Miriam verlangt Zigaretten. In dem Kiosk sind überall Hinweise, dass Tabakwaren und Alkohol nicht an Jugendliche unter 18 Jahren verkauft würden. Die Verkäuferin fragt: "Sie sind ja 18?" Miriam nickt, die Verkäuferin grinst — und gibt ihr die Zigaretten. "Ich frage grundsätzlich immer nach", beteuert die Dame hinterher. Miriam habe sie die Volljährigkeit abgenommen. Nach 20 Jahren im Geschäft könne man das einschätzen.

Dritter Test — ein Supermarkt. Sekt steht auf dem Einkaufszettel. An der Kasse geht die Flasche ohne Nachfrage über den Scanner.

Vierter Test — ein Spirituosengeschäft. Miriam fragt nach Grappa, bekommt eine Auswahl präsentiert und entschließt sich für 100 Milliliter. Alkoholgehalt: 40 Prozent. Der Verkäufer fragt nach dem Ausweis. Nachdem Miriam versichert hat, 18 Jahre alt zu sein, bekommt sie die kleine Flasche.

Dass es für die 15-Jährige kein Problem war, für Jugendliche verbotene Filme, Zigaretten und Alkohol zu kaufen, ist kein Einzelfall. Eine Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) bei Ordnungsämtern in NRW, die für die Einhaltung der Jugendschutz-Bestimmungen zuständig sind, hat ergeben: 73 Prozent gaben an, dass Vorschriften zur Abgabe von Alkohol an Jugendliche nicht eingehalten werden. Für Sebastian Gutknecht von der AJS bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die Alkoholabgabe das größte Problem im Jugendschutz ist. Seiner Erfahrung nach gibt es in einigen Bereichen ein riesiges Kontrolldefizit.

Der Jugendschutz leidet auch nach Meinung von Friedhelm Güthoff, NRW-Landesgeschäftsführer des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB), an unzureichender Umsetzung. Erstens gingen die Ämter Hinweisen auf Verstöße, die zahlreich gegeben würden, oft nicht nach. Zweitens sei bei manchem Einzelhändler oder Wirt die Bereitschaft, die Jugendschutzbestimmungen zu kontrollieren, zu gering. "Die jetzigen Kontroll-Möglichkeiten reichen in keinster Weise aus", betont Güthoff. Den Vorschlag der Bundes-Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), jugendliche Testeinkäufer einzusetzen, hält er jedoch für "kein vernünftiges Mittel". Auf Ablehnung stößt der von-der-Leyen-Plan auch beim Koalitionspartner und der Opposition in Berlin. Der Kriminologe Christian Pfeiffer und NRW-Familienminister Armin Laschet (CDU) hingegen begrüßen den Vorschlag. Für Sebastian Gutknecht vom AJS sind Testkäufe die "effektivste Möglichkeit", die Einhaltung der Jugendschutzgesetze zu kontrollieren. Anders sei dies praktisch nicht möglich. Zudem versteht der Experte die Aufregung um den Vorschlag der Bundesministerin nicht. "Verboten sind Testeinkäufe nicht. Es gibt Kommunen in NRW, die diese Kontrollmöglichkeit bereits nutzen." Dass die Methode Erfolg hat, beweisen Berichte aus entsprechenden Kommunen: Dort, wo es Testeinkäufe durch Jugendliche gibt und wo danach Bußgelder kassiert werden, ist die Zahl der Verstöße zurückgegangen.

Strafen sollten nach Gutknechts Meinung aber nur die letzte Möglichkeit sein. Zuvor ist er wie Friedhelm Güthoff vom DKSB für Ursula von der Leyens Plan, alle Beteiligten an einen runden Tisch zu bringen. Jugendschutz gehe schließlich alle an. Das sieht auch Miriams Grappa-Verkäufer so. Nachdem die Wut über seine "Überführung" verraucht ist, sagt er. "Ich ärgere mich über mich selbst. Schließlich habe ich selbst drei Kinder."

(RP)
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