Rechtsextremismus-Forscher im Interview "Das ist ein politisches Pulverfass"

Düsseldorf · Für Montag ruft eine Gruppe namens "Dügida" zur Anti-Islam-Demonstration in Düsseldorf auf. Was steckt dahinter? Ein Gespräch mit Alexander Häusler, Rechtsextremismus-Forscher an der Fachhochschule Düsseldorf.

Dezember 2014: Pegida stößt in Dresden auf Widerstand
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In Dresden versammelten sich zuletzt Tausende Teilnehmer, um unter dem Motto "Pegida - Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands" zu demonstrieren. Nun breitet sich diese Demonstration nach Düsseldorf aus. Für Montag ruft ein Ableger namens "Dügida - Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlands" erstmals zum Protest vor dem Landtag auf. Die Polizei rechnet mit bis zu 2000 Teilnehmern, auf dem Johannes-Rau-Platz gibt es zwei Gegen-Kundgebungen.

Am Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf beobachtet man seit 1987 die Entwicklung von rechten Bewegungen in Deutschland. Alexander Häusler ist Spezialist für rechtspopulistische Parteien und Organisationen und verfolgt auch die Ausbreitung von "Pegida" intensiv.

Herr Häusler, die "Pegida" in Dresden und nun auch die "Dügida" in Düsseldorf bezeichnen sich als bürgerliche Protestbewegung gegen die aktuelle Einwanderungs- und Asylpolitik. Ist das nicht ein legitimes Anliegen?

Alexander Häusler Natürlich ist es wichtig und völlig berechtigt, sich mit Themen wie Einwanderung, der Unterbringung von Asylbewerbern oder islamischem Fundamentalismus politisch zu befassen. Diese Themen werden deshalb ja auch intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert. Bei den "Pegida"- und jetzt "Dügida"-Demonstrationen geht es aber eindeutig um etwas anderes.

Inwiefern?

Häusler Die Veranstalter nehmen die steigende Zahl von Asylbewerbern und die Sorgen vor Salafismus und Islamismus als Aufhänger, um neuen Zulauf für einen rechten Kulturkampf zu gewinnen, der viel weiter gefasste Ziele hat. Das zeigt sich zum Beispiel daran, wie die "Pegida"-Demonstrationen in Dresden von Anfang an von neu-rechten Publikationen begleitet wurden. Das Feindbild der "Pegida" ist die gesamte multikulturelle Einwanderungsgesellschaft, in der wir leben. Die Demonstrationen sind ein Ventil für Vorurteile und die Abwertung von Menschen.

Rechte Sprüche wie "Ausländer raus" sind aber bei den Demonstrationen nicht zu hören. Dafür wird in Dresden "Wir sind das Volk" skandiert.

Häusler Richtig. Diese Demonstrationen stellen bewusst ein sehr niederschwelliges Angebot zur Mitwirkung dar. Die Veranstalter versuchen, das Thema anschlussfähig für viele Teilnehmer zu machen, indem sie den Eindruck erwecken, dass "normale Bürger" zum Protest zusammenkommen. Dazu dient zum Beispiel auch der Bezug auf die Montags-Demonstrationen der Wende-Zeit. Auf diese Weise soll ein neues Einfallstor für die Rechte geschaffen werden.

Woran machen Sie das fest?

Häusler Wo die "Dügida"-Demonstration politisch steht, sieht man an dem Kreis, der sie unterstützt. Da kommt das komplette Rechtsaußenspektrum zusammen, also NPD, ProNRW, Republikaner oder die Minipartei "Die Rechte". Auch der Anmelderkreis zeigt deutlich, dass hinter der angeblich legitimierten bürgerlichen Kritik am Islam ein viel größeres Feindbild steckt.

Wieso?

Häusler Eine treibende Kraft hinter der Demonstration in Düsseldorf ist ein lokaler Aktivist, der Teil der "Patriotischen Plattform" ist, einer Gruppe des äußerst rechten Flügels der Alternative für Deutschland (AfD). Diese Gruppe erklärt, man sei "gegen die Herausbildung einer multikulturellen Gesellschaft auf deutschem Boden". Das zeigt, dass man eigentlich nicht gegen religiösen Fanatismus, sondern gegen die längst bestehende multikulturelle Gesellschaft zu Felde ziehen will. Dieser Mitorganisator ist zudem kürzlich neben rechtsradikalen Aktivisten als Redner der "HoGeSa"-Demonstration in Hannover aufgetreten. Von einer Distanzierung zu Rechtsextremen kann also keine Rede sein.

Die Ausschreitungen bei der "HoGeSa"-Demonstration in Köln, also "Hooligans gegen Salafismus", haben kürzlich für viel Aufsehen gesorgt. Wie unterscheidet sich "Pegida"?

Häusler Die "Pegida"-Demonstrationen sind bislang als friedlicher Protest angelegt, um sie anschlussfähig für viele zu machen. In den politischen Zielen gibt es allerdings Übereinstimmungen. Das zeigt sich daran, dass die "Dügida"-Demonstration auch in der gewaltbereiten Hooligan-Szene unterstützt wird.

Diese Demonstrationen haben großen Zulauf. Bildet sich eine neue rechte Bewegung?

Häusler Nicht unbedingt. Es hat immer wieder Rechtspopulisten in bürgerlichem Gewand gegeben, wie zum Beispiel auch bei den Parteien ProKöln und ProNRW. Die berechtigte Sorge vor realen Gefahren wie dem Salafismus bietet allerdings ein aktuelles Agitationsfeld für Akteure vom rechten Rand.

Sie sehen also Potenzial für die "Pegida"-Demonstrationen?

Häusler Wir beobachten einen gewissen Prozentsatz eines diffus rechtsorientierten Wutbürgertums, das sich auch in den sozialen Medien stark äußert. Diese Menschen kennzeichnet eine vielfältige Unzufriedenheit gegenüber politischen Entwicklungen und Veränderungen. Das betrifft die Einwanderung, die Asylpolitik ebenso wie die Pluralisierung der Lebensformen. Dazu kommt eine weit verbreitete Politikverdrossenheit. Das ist ein politisches Pulverfass, das droht, von organisierten Rechten gefüllt zu werden. Ich wage aber zu bezweifeln, dass "Dügida" so viel Erfolg hat wie das Vorbild in Dresden.

Warum?

Häusler Die Situation ist eine andere als in Sachsen. In Düsseldorf und ganz Nordrhein-Westfalen gibt es einen hohen Anteil von Migranten, und das schon lange. Es gehört zum Selbstverständnis der Region, dass sie stark von Zuwanderung geprägt ist. Die Menschen leben hier multikulturell und haben auch ein entsprechendes Selbstverständnis. Auch im konkreten Umgang mit politischem Islamismus gibt es gerade in Düsseldorf vorzeigbare Einrichtungen wie etwa das Modellprojekt "Wegweiser". Ebenso gibt es lobenswerte zivilgesellschaftliche Initiativen zur Unterstützung von Asylsuchenden wie die Flüchtlingsinitiative "Stay" und Aktivitäten hierzu von der Diakonie und dem Flüchtlingsrat. Auch in diesem Bereich gibt es also keine politische "Leerstellen", in die Akteure vom rechten Rand hineinschlüpfen können, um sie mit ausgrenzenden Inhalten zu füllen. Hinzu kommt, dass schon direkt nach der Ankündigung dieses geplanten Aufmarsches ein breites Spektrum aus der Stadtgesellschaft dagegen Protest angemeldet hat. Die Positionen von "Dügida" sind deshalb nach meinem Eindruck nicht so anschlussfähig wie in Dresden.

ARNE LIEB FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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