Stadt spricht von organisierter Kriminalität Wie Köln illegale Vermieter auf Airbnb stoppen will

Köln/Düsseldorf · Tausende Wohnungen werden in den NRW-Großstädten auf Plattformen wie Airbnb angeboten. In vielen Fällen ist das illegal. Die Stadt Köln spricht sogar von organisierter Kriminalität und will den Wohnraum-Missbrauch stoppen. Dabei setzt sie auf spezialisierte Fahnder. Doch das Vorgehen ist politisch umstritten.

 Fahnder suchen auf „Airbnb“ nach auffälligen Angeboten (Symbolfoto).

Fahnder suchen auf „Airbnb“ nach auffälligen Angeboten (Symbolfoto).

Foto: Endermann, Andreas (end)

Lust auf eine „ganze Wohnung mit Domblick für bis zu neun Gäste“ in der Kölner Innenstadt? Gibt‘s für 200 Euro pro Nacht. Oder auf ein „freundlich gestaltetes Haus für zehn Personen“ in Düsseldorf-Unterrath? Für rund 400 Euro pro Nacht werden Sie fündig. Auf der Buchungsplattform „Airbnb“ häufen sich solche und vergleichbare Inserate. Mancher Anbieter hält gleich mehrere Angebote parat: eine angebliche WG in Köln-Kalk bietet drei Räume an, ein Vermieter im Stadtteil Ehrenfeld zwei Wohnungen – ergänzt mit dem Hinweis: „Meine Familie lebt zwar nicht im Haus, wir sind aber im Bedarfsfall schnell mal da.“

Bei solchen Beschreibungen wird Josef Ludwig hellhörig. Der Leiter des Kölner „Amtes für Wohnungswesen“ organisiert in der Domstadt den Widerstand gegen professionelle Vermieter auf Plattformen wie Airbnb. „Mit einer Kurzzeitvermietung kann man das Fünffache erwirtschaften wie mit einer regulären, dauerhaften Vermietung“, sagt Ludwig. Doch das lukrative Geschäft ist häufig illegal und soll nun verstärkt bekämpft werden. Denn: „Wenn ganze Stadtviertel nicht mehr von Einheimischen sondern nur noch an Wochenenden von Touristen bevölkert sind, dann ist das für die Kommune ein großes Problem.“

Die gesetzliche Lösung dafür gibt es seit 2012: die damalige rot-grüne Landesregierung verabschiedete damals das sogenannte Wohnaufsichtsgesetz. Es ermächtigt die Städte, gegen die unerlaubte Nutzung von Wohnraum als Kanzleien, Arztpraxen oder Ferienwohnungen ohne Genehmigung vorzugehen.

Eine dafür nötige Satzung verabschiedete der Kölner Stadtrat im Juli 2014. Seither sind Kurzzeitvermietungen nur noch erlaubt, wenn der Eigentümer oder Mieter die Immobilie den Großteil der Jahreszeit ebenfalls bewohnt. „Die Wohnung mal zwei Wochen weiterzugeben, wenn man im Urlaub ist, dagegen hat niemand etwas“, betont Ludwig. Wer aber grob gegen die Vorgaben verstößt, kann mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro pro Wohnung bestraft werden. Ähnliche Regeln haben in Nordrhein-Westfalen auch Bonn, Dortmund und Münster erlassen. Berlin verlangt sogar bis zu 100.000 Euro pro Wohnung.

Wie viel Einfluss Airbnb auf den angespannten Wohnungsmarkt in NRW-Großstädten tatsächlich hat, ist allerdings umstritten – und damit auch die Gesetzeslage. In Kommunen wie Düsseldorf oder Aachen fand sich bislang keine Rats-Mehrheit für eine Satzung noch Kölner Vorbild. Die aktuelle Landesregierung aus CDU und FDP hat im Koalitionsvertrag sogar eine Abschaffung des Wohnaufsichtsgesetzes vereinbart.

 Eine mutmaßliche Ferienwohnung in der Kölner Südstadt. Eine Bürgerinitiative hat das Gebäude mit einem Aufkleber markiert.

Eine mutmaßliche Ferienwohnung in der Kölner Südstadt. Eine Bürgerinitiative hat das Gebäude mit einem Aufkleber markiert.

Foto: Boisserée, Clemens

„Würde das Gesetz gekippt, wäre das für uns fatal“, sagt Josef Ludwig. 7000 Wohnungen, so schätzt der Amtsleiter, seien in Köln vom Wohnungsmarkt verschwunden, um teuer an Touristen oder Geschäftsleute vermietet zu werden. „Das ist Wohnraum für über 10.000 Menschen. Da muss viel für gebaut werden, um das auszugleichen.“ Köln gehört zu den am schnellsten wachsenden Städten Deutschlands, kommt aber mit dem Wohnungsangebot nicht hinterher. Je nach Studie fehlen zurzeit zwischen 60.000- und über 85.000 Wohnungen. „Natürlich ist Airbnb nicht das alleinige Problem für den Kölner Wohnungsmarkt. Aber der Markt spürt die Auswirkungen“, sagt Ludwig.

Die Vermittlungsplattform selbst gibt kaum Zahlen heraus. Auf Anfrage bestätigt Airbnb rund 7000 Inserate für Köln, bestreitet aber spürbare Auswirkungen. Die Begründung wird statistisch geliefert: Nur 58 Prozent aller Angebote gelten für „ganze Unterkünfte“ (sprich eine komplette Wohnung oder ein Haus). Von diesen rund 4000 Inseraten würden wiederum nur sechs Prozent  (240 Immobilien) für mehr als 182 Tage im Jahr vermietet. Unterm Strich wären das rund 0,04 Prozent des gesamten Kölner Immobilienbestands.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft, Urheber einer Studie über die Weitervermietung von Wohnraum, sieht im Geschäftsmodell von Airbnb und Co. ebenfalls wenig Probleme: „Es lassen sich keine Belege für eine durch den Unterkunftssektor verursachte Wohnraumverknappung finden“, heißt es im Studien-Fazit. Denkbar sei jedoch, dass dieses Ergebnis für einzelne Stadtviertel oder Straßenzüge anders ausfallen könnte – für eine Überprüfung reiche jedoch die Datenlage nicht aus.

Ergänzen lassen sich diese Einschätzungen um aktuelle Erhebungen des Marktforschungsunternehmen „AirDNA“. Demnach waren in Köln zwischen 2016 und 2018 recht konstant über 2200 Wohnungen pro Monat bei Airbnb verfügbar. Jede gebuchte Wohnung kommt im Monatsschnitt auf rund 15 Übernachtungen. Zum Vergleich: Auch die Kölner Hotelbetriebe kommen auf rund 15 Übernachtungen pro Hotelbett und Monat.

Gibt es nun ein Problem oder nicht? Das scheint Interpretationssache. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat Anbietern wie Airbnb nun jedenfalls den Kampf angesagt. Der zuständige Mitarbeiterstab im Wohnungsamt wurde zum Jahreswechsel von 4,5 auf 13,5 Stellen verdreifacht. Noch sind nicht alle Stellen besetzt, doch in Zukunft sollen unter Josef Ludwigs Verantwortung sieben Sachbearbeiter, (rechnerisch) 4,5 Ermittler und ein Jurist Fälle von Wohnraummissbrauch aufspüren, Beweise sammeln und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.  „Wir fragen in der Nachbarschaft, machen von außen Fotos, schauen uns die Klingelanlagen an und überprüfen, wer der Eigentümer ist“, beschreibt Ludwig. Um überhaupt auf mutmaßliche Fälle aufmerksam zu werden, seien vor allem Hinweise aus der Bevölkerung hilfreich. Ludwig: „Wenn Anwohner immer wieder von Rollkoffer-ziehenden Junggesellenabschieden im Treppenhaus beobachten, dann soll man sich gerne an die Stadt wenden.“

„Diesen Kampf können wir nicht gewinnen“

Alle Fälle von Wohnraum-Missbrauch wird auch das neue Team nicht aufdecken können. „Diesen Kampf können wir nicht gewinnen“, sagt Ludwig. Doch längst gehe es nicht mehr darum, einzelne Übeltäter zu überführen, sondern um kriminelle Geschäfte im großen Stil. „Wir haben schon Anbieter aus der Richtung ‚Organisierte Kriminalität‘ festgestellt, aus der Türsteherszene beispielsweise“, sagt Ludwig. Dort ermittle man mit besonderer Vorsicht.  „Ich schicke meine Mitarbeiter nicht ins Feuer. Wir ziehen uns zurück, sobald es Anzeichen gibt, dass es heikel werden könnte.“ Dann sei die Polizei gefragt.

Trotzdem gelingen auch größere Fänge. So konnte im vergangenen Jahr ein Unternehmen belangt werden, das in den Stadtteilen Deutz und Humboldt-Gremberg insgesamt 60 Studentenwohnungen als Ferienwohnungen vermarktet hatte. Ein Bericht des WDR hatte die Fahnder aufmerksam gemacht, woraufhin die Stadt den Anbieter ermittelte. „Ein großer Geldgeber erhoffte sich große Rendite“, sagt Ludwig dazu. Zwei Wohnungen sind mittlerweile wieder vermietet, 42 werden renoviert und sollen anschließend wieder auf den Markt kommen. In 16 Fällen aber verhängte die Stadt jeweils 10.000 Euro Zwangsgeld, weil die Immobilien zwar nicht mehr auf Airbnb angeboten werden, dafür aber seit Wochen leer stehen.

Insgesamt wurden in Köln seit Einführung der Satzung über 1400 Wohnungen ausfindig gemacht, die illegal als Ferienwohnungen genutzt wurden – Tendenz deutlich steigend.  Allein in 2018 fanden die Fahnder über 900 betroffene Wohnungen. 375.000 Euro Bußgeld seien bislang festgesetzt worden, in vielen Fällen laufen Gerichtsverfahren - die dort letztlich beschlossenen Strafzahlungen fließen jedoch nicht in die Stadt- sondern in die Landeskasse. Oberbürgermeisterin Reker überlegt trotzdem, die Strafgebühren anzuheben.

Nicht nur im Rheinland gerät Airbnb verstärkt unter Druck. International beliebte Großstädte wie Barcelona oder Paris wollen mit extrem hohen Bußgeldern professionelle Vermieter abschrecken. Gemeinsam mit Amsterdam, Wien und eben Köln haben sie eine Allianz gebildet, um Erfahrungswerte auszutauschen und effizienter gegen Gesetzesverstöße vorzugehen. Nicht nur die wegfallenden Wohnungen stören die Kommunen, sie befürchten auch steuerliche Nachteile. Denn Bettensteuern oder ähnliche Tourismusabgaben, wie sie Hotelanbieter Städten entrichten müssen, werden von vielen Airbnb-Anbietern nicht gezahlt. Kontrollen durch die Finanzämter sind ohne die dafür nötigen Daten kaum möglich. Die Datenhoheit aber liegt bei Airbnb.

Das Unternehmen mit Europa-Sitz in Irland nutzt diese Macht, um sich den Städten als Kooperationspartner anzubieten. Eine Sprecherin sagt: „Weltweit gibt es mit über 400 Städten und Regionen Vereinbarungen zur automatisierten Einziehung und Abführung der Tourismusabgaben.“ In Deutschland bestehen solche Kooperationen mit Frankfurt am Main, Dresden und Dortmund. Im Gegenzug verzichten die Städte auf Kontrollmaßnahmen und Strafgebühren für Vermieter.

„Firmen wie AirbnB wollen uns nicht helfen“

In Köln ist man an einer Zusammenarbeit hingegen nicht interessiert. „Firmen wie AirbnB wollen uns nicht helfen. Das sind gewinnorientierte Unternehmen, die expandieren möchten und deshalb irgendwelchen Deals vorschlagen damit wir ihre Nutzer in Ruhe lassen“, sagt Ludwig. Aber darum ginge es nicht. Auch nicht darum, möglichst viele Bußgelder zu erheben. „Unser Ziel ist es, die Wohnung wieder für den Markt verfügbar zu machen. Wenn ein Vermieter in einer ersten Anhörung schon Einsicht zeigt und anschließend nachweist, dass die Wohnung wieder langfristig vermietet ist, dann habe ich mein Ziel erreicht.“ Wer einmal auffällig wurde, muss anschließend langfristig Mietverträge beim Wohnungsamt vorlegen. „Und es ist sehr wahrscheinlich, dass meine Außendienstmitarbeiter hin und wieder vor Ort nach dem Rechten schauen.“

Allerdings steht zur Debatte, wie lange solche Kontrollen überhaupt noch rechtens sind.  Die Landespolitik evaluiert aktuell das Wohnaufsichtsgesetz. Für Stephen Paul, den Sprecher der FDP im Wohnungsausschuss, steht nach zwei Anhörungsrunden fest: „Es ist offenkundig, dass eine Überregulierung den Mangel an Wohnraum nicht beheben wird.“ Der Vorsitzende des Ausschusses, Hans-Willi Körfges (SPD),  will das Gesetz hingegen sogar ausweiten. Vermieter sollen verpflichtet werden, eine Genehmigung bei den Städten einzuholen und bei den Buchungsplattformen eine kommunale Registrierungsnummer anzugeben. „Eine Registrierung der Nutzer schafft die Möglichkeit, die Steuerpflicht besser durchzusetzen“, sagt Körfges.

Noch weiter will Düsseldorfers Oberbürgermeister Thomas Geisel gehen. In einem Brief an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet fordert er: „Aus meiner Sicht ist ein effizientes Instrument zur Sicherstellung der Rechtmäßigkeit privater Wohnungsvermittler eine Meldepflicht, bei der dem Plattformbetreiber aufgegeben wird, die Adressen der Wohnungen, die Daten der Gastgeber, die Dauer der Vermietung und weitere Informationen mitzuteilen.“

Der Düsseldorfer Stadtchef fordert also einen Angriff auf die Datenhoheit des digitalen Tourismus-Riesen. Weil sich in seiner Stadt CDU und FDP gegen eine entsprechende Satzung sperren, kann der SPD-Mann bislang jedoch nicht einmal die (noch) bestehenden Möglichkeiten ausnutzen.

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