Uniklinik Düsseldorf Ärzte spüren häusliche Gewalt auf

Düsseldorf · Mit Hilfe der Uniklinik lernen Hausärzte, die Spuren von häuslicher Gewalt zu erkennen und dokumentieren.

Den Bluterguss am Oberarm seiner Patientin entdeckte André Schumacher eher zufällig. Früher hätte er sich wahrscheinlich mit ihrer Erklärung zufrieden gegeben: "Ich bin von der Leiter gestürzt."

Nun aber fragte er nach, behutsam, aber beharrlich, ob die Flecken vielleicht eine andere Ursache hatten, möglicherweise die Folge von Schlägen waren. Der Mediziner aus Holthausen gehört zu den Teilnehmern eines Modellprojekts der Uni-Rechtsmedizin, das niedergelassene Ärzte befähigen soll, häusliche Gewalt besser zu erkennen. "Ich schaue jetzt viel genauer hin", lautet sein Fazit.

"Jede vierte Frau ist Opfer von Gewalt in ihrer privaten Umgebung, aber die wenigsten reden darüber", diese Erkenntnis war für Stephanie Ritz-Timme, Leiterin des Instituts für Rechtsmedizin, schon vor Jahren der Auslöser, eine Opferambulanz auf dem Gelände des Uniklinikums zu gründen. Viele Frauen gehen zwar mit ihren Verletzungen zum Arzt, geben aber häufig nicht zu, misshandelt worden zu sein. Ritz-Timme: "Sie schweigen aus Scham oder Angst oder weil sie sich irgendwie mitschuldig fühlen." Doch auch wenn eine Frau den Täter, der häufig ihr Ehemann ist, nicht anzeigen will, sei es wichtig, die Spuren der Gewalt zu dokumentieren. "Möglicherweise für ein späteres Verfahren."

Dafür ist es wichtig, dass auch die Hausärzte sensibel auf auffällige Spuren reagieren. Im Rahmen eines Pilotprojektes des Bundesfamilien-Ministerium schulte die Uni-Rechtsmedizin 25 Allgemeinmediziner in Düsseldorf. André Schumacher: "Die Patientinnen trauen sich oft nicht, über die Gewalt zu sprechen, kommen unter einem Vorwand in die Praxis." Fragt er dann nach, seien die Reaktionen ganz unterschiedlich, "manche der Frauen sind entrüstet, andere erleichtert, dass sie endlich darüber reden können."

Die Schulung, bei der eine Schauspielerin die Rolle der Patientin übernommen hat, habe ihm nicht nur dabei geholfen, Verletzungen besser einzuordnen, sondern auch, anders darauf zu reagieren. "Ich habe Formulierungshilfen bekommen und gelernt, wie man ein solches Gespräch führen sollte." Außerdem wissen er und seine Kollegen nun auch, wie Spuren von Gewalt zum Beispiel durch Fotos und andere Beweismittel "gerichtsfest" dokumentiert werden sollten.

Die Düsseldorfer Rechtsmedizin hat mittlerweile ihren Abschlussbericht und einen neu entwickelten Leitfaden an das Familienministerium geschickt. Stefanie Ritz-Timme bezeichnet die Ärzteschulung als überaus erfolgreich. "So mancher Arzt hat vorher vielleicht dreimal im Quartal Spuren von Gewalt wahrgenommen. Jetzt sieht er ein Vielfaches, weil er gelernt hat hinzusehen."

Das müssten vor allem angehende Mediziner schon während ihres Studiums lernen, fordert die Fachfrau. Weitere Schulungen von niedergelassenen Ärzten hält sie für notwendig, "aber das kostet Geld und dafür müsste es einen politischen Beschluss geben." Bisher wartet sie darauf vergeblich.

(RP/jco)
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