Seniorin leidet an Folgen des Überfalls 93-Jährige Opfer eines Trickdiebs

Düsseldorf · Vor zwei Wochen stand ein angeblicher Stadtwerker in der Wohnung von Margarete Clausnitz, weil es in der Nachbarschaft einen Rohrbruch gegeben hatte. Das war gelogen. Und als der Mann wieder weg war, fehlten 900 Euro. Die Seniorin leidet noch immer unter den Folgen des Überfalls.

 Margarete Clausnitz öffnet Fremden die Wohnungstür nur noch bei vorgelegte Sicherheitskette.

Margarete Clausnitz öffnet Fremden die Wohnungstür nur noch bei vorgelegte Sicherheitskette.

Foto: Werner Gabriel

Zum ersten Mal in ihren 93 Jahren schläft sie nicht mehr gut. Ein paar Mal in der Nacht wacht sie auf, und dann sieht sie wieder diesen Mann vor sich. Seit Margarete Clausnitz *) vor zwei Wochen in ihrer Wohnung einem Trickbetrüger zum Opfer fiel, der sich als Stadtwerke-Mitarbeiter ausgegeben hat, ist nichts mehr wie vorher. "Ich bin traumatisiert", sagt die Arztwitwe. "Und ich kann nichts dagegen machen."

Die Wohnanlage, in der sie seit 15 Jahren lebt, ist auf die Bedürfnisse von Senioren ausgerichtet. Womöglich hat der etwa 50 Jahre alte, dicke Mann sich deshalb die Adresse ausgesucht, als er am 1. März auf Beutezug ging. "Er hat Sturm geklingelt und ,schnell, schnell, das ist ein Notfall' in die Sprechanlage geschrien", sagt Margarete Clausnitz. Sie drückte auf den Türöffner, öffnete ihre Wohnungstür im ersten Stock. "Da war er auch schon die Treppe hoch gerannt und drängte mich in den Flur." Erst viel später bemerkte die alte Dame, dass er sie dabei verletzt hat — die Schulter ist verrenkt. Doch zuerst hatte sie andere Sorgen: "Der Mann war total hektisch, schrie immer nur, gleich stünde alles unter Wasser, er müsse alle Hähne aufdrehen." Im Bad räumte er ein Schränkchen aus, "angeblich brauchte er Handtücher". Als Margarete Clausnitz ihren kleinen Hund auf den Arm nahm, um ihn zu beruhigen, folgte ihr der Mann ins Wohnzimmer. "Er sagte, er müsse an die Heizung."

Dann ging er plötzlich. Es sei alles wieder in Ordnung, sein Kollege warte nebenan. Weg war er. "Da kam mir das komisch vor. Ich rief die Hausverwaltung an — und die riet mir sofort die Polizei zu holen."

Das tat die Seniorin — und erst die Polizistin, der sie den Vorfall schilderte, bemerkte, warum der falsche Stadtwerker wirklich da gewesen war: "Als er sich angeblich an der Heizung zu schaffen machte, hat er auch die Geldbörse aus meiner Handtasche genommen." 900 Euro fehlten daraus. Die hatte die Haushaltshilfe erst am Morgen für die Rentnerin von der Bank geholt.

Auch im Bad hatte der Dieb offenbar nach Wertsachen gewühlt. "Zum Glück hat er meinen Schmuck übersehen, weil ich versehentlich ein Handtuch auf der Schatulle liegen hatte", sagt die alte Dame, für die Angst bisher ein Fremdwort war. Jetzt zuckt sie jedes Mal zusammen, wenn es klingelt. Sie hat den Mann genau gesehen, würde ihn jederzeit wieder erkennen. Das wird ihr nun zum Problem. Überall sieht sie sein Gesicht. Und kommt aus dem Grübeln nicht heraus. "Warum gerade ich? Was hätte er mir noch antun können? Wird er wieder kommen?"

Die Polizei schließt das aus. "Diese Täter suchen nicht bestimmte Personen aus — denen ist egal, wen sie bestehlen", sagt Polizeisprecher André Hartwich. Weil sich die Trickdiebe bei älteren Menschen mehr Erfolg versprechen, suchen sie allerdings gezielt Senioren. Die finden sie über Adressdatenbanken, aber auch, indem sie im Telefonbuch nach altmodischen Vornamen suchen — oder aus der Fensterdekoration an Mietshäusern auf das Alter der Bewohner schließen.

Margarete Clausnitz hat sich jetzt eine Sicherheitskette an die Tür montieren lassen und will eine Gegensprechanlage mit Videokamera. "Damit mir das nicht noch einmal passiert", sagt sie. Gegen ihre Ängste hilft das nichts. Sie hat Rat beim Weißen Ring gesucht und sich nach Hilfseinrichtungen wie der Ambulanz für Gewaltschutzopfer beim Gesundheitsamt erkundigt. "Vielleicht gehe ich da mal hin."

*Name geändert

(RP)
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