Deichgräf Eduard Breimann "Wutbürger verhindern Deichsanierung"

Dormagen · Der Zonser kritisiert Einsprüche, problematische Bebauungen und fehlende Überschwemmungsräume für das Hochwasser.

 Ein ausgewiesener Fachmann in Sachen Hochwasserschutz: Deichgräf Eduard Breimann.

Ein ausgewiesener Fachmann in Sachen Hochwasserschutz: Deichgräf Eduard Breimann.

Foto: HANS JAZYK

Das Hochwasser im Osten Deutschlands geht allmählich zurück. Was haben Sie in den vergangenen Tagen empfunden, als Sie die Bilder gesehen haben?

Breimann Zu allererst Mitleid. Dann Unverständnis. Nach der Flut von 2002 wurden erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt, die eine Modernisierung, eine Anpassung der Deiche an die heute geltenden und anerkannten Regeln der Technik ermöglichen sollten. Auf großen Strecken ist das nicht erfolgt. Die Planfeststellungsverfahren zogen sich über Jahre hin und es geschah einfach nichts. Ein Grund dafür waren sogenannte Wutbürger, die mit immer neuen Einsprüchen verhinderten, dass die uralten, zum Teil nur aus Erdhügeln bestehenden Deiche saniert wurden.

Am Rhein sind die Menschen von den Wassermassen verschont geblieben. Einfach Glück gehabt, oder?

Breimann Ja, das muss man wohl Glück nennen. Wären die Regenmengen weiter westlich runter gekommen, hätte es uns sicher hart getroffen. Obwohl die Auswirkungen wohl nicht so schlimm gewesen wären. Am Niederrhein sind viele Deiche bereits saniert und an die neuen Regeln angepasst worden.

Woran hat es Ihrer Meinung nach gelegen, dass die Menschen so stark betroffen wurden?

Breimann Weil die Deich im gesamten Osten veraltet sind, nie gepflegt und saniert wurden. Weil das auch für Teile in Süddeutschland gilt. Dazu kommen absolut problematische Bebauungen, bei denen eine Sicherung nur schwer möglich sein wird. Denken Sie nur an Passau, wo der Fluss mitten durch die Stadt fließt.

Die Rede ist davon, dass es zu wenige Flächen gibt, die man in diesem Katastrophenfall überfluten kann.

Breimann Ja, das wird zu Recht moniert. Nur kann man Retentionsräume nicht so einfach herzaubern. Diese Flächen, die dazu geeignet wären, sind nun mal im Besitz von Eigentümern, die nicht unbedingt ihre Flächen dafür zur Verfügung stellen wollen. Enteignung ist ein hartes und lang dauerndes Mittel. An der Elbe hat man aber auch, nach Dammbrüchen und den dadurch entstandenen riesigen Retentionsräume, gesehen, dass die Wirkung begrenzt ist. Das ist kein Allheilmittel.

Sprechen die aktuellen Ereignisse gegen Bürgerproteste gegen Hochwasserschutz und für schnelle Umsetzung von Schutzmaßnahmen?

Breimann Ja, eindeutig. Planungen wie unsere dauern schon Jahre. Ehe ein Plan nach Einreichung zur Genehmigung umgesetzt werden kann, dauert es nochmals viele Monate. Wenn dann Bürger Einsprüche einlegen, Gerichte bemüht werden, dann vergehen oft Jahre, so wie im Osten, an Elbe und anderen Flüssen.

Es heißt auch, dass beim Thema Hochwasserschutz eine zentrale Regie besser wäre als das föderale System, bei dem womöglich jedes Bundesland nur auf sich sieht.

Breimann Nicht unbedingt. Das mag bei der Schaffung von Retentionsräumen gut sein. Aber nicht der Bund mit einem Sonderministerium hat die Vorortkenntnis, sondern diese liegen bei den Bezirksregierungen. In Köln ist dann vielleicht eine ganz andere Entscheidung zu fällen als in Düsseldorf.

Wie sicher sind die Anrainer in den Dormagener Ortsteilen Stürzelberg und Zons?

Breimann Trotz des maroden Deichs, Folge der falschen Sanierung, stellen wir durch Sondermaßnahmen bei drohendem Hochwasser sicher, dass auch hier die Deiche so standhaft sind wie auf den anderen Strecken.

Ab 2015 kommt der neue Deich. Was läuft hier gut beim Deichbau, was müsste besser werden?

Breimann Bisher läuft es in der Planungsphase optimal. Wie haben nach der europaweiten Ausschreibung eine gute Projektmannschaft, die in enger Zusammenarbeit mit uns und in Abstimmung mit der Bezirksregierung einen guten Job macht. Ich informiere die Öffentlichkeit über alle Entwicklungen und hoffe, dass wir hier auf Verständnis stoßen und keine Verzögerungen durch "Wutbürger" entstehen. Das müssen im Ernstfall alle anderen mit ausbaden. Wir wollen hier einen guten Job machen.

KLAUS D. SCHUMILAS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(NGZ)
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