Ärztemangel am Kreiskrankenhaus in Dormagen Verwaltungsaufgaben statt Patientenbetreuung

Ärztemangel am Kreiskrankenhaus in Dormagen · Von Saskia Zeller

Von Saskia Zeller

Sprachen die Medien vor drei oder vier Jahren noch von einer "Ärzteschwemme", ist jetzt das Gegenteil eingetreten. Immer weniger Mediziner wollen in Kliniken ihren Dienst tun. Der Mangel an Ärzten betrifft auch das Kreiskrankenhaus in Dormagen. Die Ursache dafür sieht der ärztliche Direktor, Professor Dr. Hermann Paul Siepmann, in den schlechten Arbeitsbedingungen. Überstunden seien an der Tagesordnung, zudem kämen Weiterbildungsmaßnahmen zu kurz. Zehn Überstunden pro Woche - unbezahlt und ohne Ausgleich - das ist die Regel.

Zusätzlich verschlingen die administrativen Aufgaben 20 bis 40 Prozent der Arbeitszeit. Professor Hermann Paul Siepmann wundert es nicht, dass kaum noch junge Ärzte im Kreiskrankenhaus tätig sein möchten. "Früher konnten wir uns vor Bewerbungen kaum retten, jetzt müssen wir uns auf die Suche begeben." Mit seinem Problem steht der Mediziner allerdings nicht allein da - deutschlandweit herrscht Ärztemangel an den Kliniken. Besonders bei den Fachbereichen Innere Medizin, Chirurgie und Orthopädie bekommt Siepmann dies deutlich zu spüren.

Durch die demoskopische Entwicklung würden diese Abteilungen zunehmend in Anspruch genommen, erklärt er. Denn vor allem ältere Menschen, hätten mit Krankheiten zu kämpfen. Insgesamt könnte das Kreiskrankenhaus fünf Stellen zu den 65 bereits vorhandenen gut gebrauchen, meint Siepmann. Doch mehr Ärzte einstellen darf die Klinik nicht. "Wir hängen durch die Budgetierung schließlich am Tropf der Politik und der Krankenkassen."

Um junge Mediziner für die Arbeit im Krankenhaus zu gewinnen und ausgebildete Fachärzte im Betrieb zu halten, muss der Beruf attraktiver werden, fordert Siepmann auch mit Blick auf die 21 Prozent Medizinstudenten, die ihr Studium nach dem ersten Semester abbrechen. Dazu kämen dann noch 22 Prozent, die ihren letzten Ausbildungsabschnitt, den "Arzt im Praktikum", nicht mehr absolvierten sowie die vielen ausgebildeten Ärzte, die lieber im Ausland arbeiteten.

Denn: In England, Frankreich und in den skandinavischen Ländern finden Mediziner wesentlich bessere Arbeitsbedingungen vor: planbare Freizeit, leistungsgerechte Vergütung. Der erste wichtige Schritt hin zu einer Verbesserung der Situation vor Ort ist in den Augen Siepmanns, die Ärzte von ihren administrativen Aufgaben zu entlasten. Diese könnten nämlich genau so gut von Dokumentationsassistenten übernommen werden.

Die Mediziner hätten dann mehr Zeit für die Patienten. Jetzt müssten sie für die nötige Betreuung der Kranken teilweise ihre Freizeit opfern: "ein Geschenk", wie Siepmann findet. Was Siepmann besonders bedrückt sind auch die mangelnden Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. "Die Behörden erlassen Richtlinien im Stile einer 'Kochbuchmedizin'", ärgert er sich. Fortbildungen müssten aber besser strukturiert werden.

Denn: "Es gibt keine arbeitslosen Ärzte, es gibt nur unqualifizierte Ärzte", so der ärztliche Direktor. Die derzeitigen Zustände an Deutschlands Krankenhäusern verzögerten nur die Abschlüsse zum Facharzt. "Und wenn die Mediziner dann ausgebildet sind, eröffnen sie lieber eine Praxis", erklärt Siepmann das Dilemma. Für die Zukunft wünscht Siepmann sich ein besseres Betriebsklima.

Die Voraussetzungen dafür bilden seiner Meinung nach "eine voraus schauende Gesundheitspolitik, mehr Investitionen in Personal und Geräte, eine leistungsgerechte Vergütung der Ärzte, mehr Gelegenheit, sich fort- und weiter zu bilden, eine planbare Freizeit und - was wie eine Selbstverständlichkeit klingt - Zeit für regelmäßige Gespräche mit den Mitarbeitern.

(NGZ)
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