Tsv Bayer Dormagen TSV geht im Tempo-Tor-Rausch unter

Emsdetten · Über weite Strecken war Zweitliga-Aufsteiger TSV Bayer Dormagen dem Erstliga-Absteiger TV Emsdetten ebenbürtig. Doch ohne erkennbare Abwehrleistung stand am Ende eine rekordverdächtige 37:43-Niederlage auf dem Spielbericht.

 Eine Szene mit Symbolcharakter am Samstagabend: Johnny Eisenkrätzer liegt am Boden, Max Bettin schaut zu - und Ernir Arnarson erzielt gegen den machtlosen Sven Bartmann einen seiner neun Treffer.

Eine Szene mit Symbolcharakter am Samstagabend: Johnny Eisenkrätzer liegt am Boden, Max Bettin schaut zu - und Ernir Arnarson erzielt gegen den machtlosen Sven Bartmann einen seiner neun Treffer.

Foto: H. J. Zaunbrecher

Für die rund fünfzig Dormagener Fans hat sich der Ausflug nach Emsdetten gelohnt am Samstagabend, auch wenn sie die 180 Kilometer lange Heimreise ohne ein Erfolgserlebnis antreten mussten. Doch so ein Handballspiel wie bei der 37:43-Niederlage (Halbzeit 21:24) des Zweitliga-Neulings beim bis dahin punktgleichen Erstliga-Absteiger TV Emsdetten bekommt man nicht alle Tage zu sehen.

80 Tore, 31 Torhüter-Paraden - rechnet man die geblockten Würfe und sonstigen Ballverluste auf beiden Seiten noch hinzu, dürften an diesem denkwürdigen Abend mindestens 130 Angriffe durch die gut gefüllte Emshalle gebrandet sein. Weil alle vier Torhüter im ersten Durchgang kaum eine Hand an den Ball bekamen, standen zur Pause bereits 45 Treffer auf der Anzeigetafel - zwei mehr als am Vorabend im niederrheinischen Drittliga-Schlager zwischen TV Korschenbroich und HSG Krefeld (19:24) nach sechzig Minuten.

Dass im zweiten Spielabschnitt ein paar weniger fielen, war allein der Tatsache geschuldet, dass den Akteuren in dem irrwitzigen Tempo-Spektakel irgendwann die Puste und damit die Präzision im Abschluss ausging, was die statistischen Werte der Schlussleute ein wenig aufhübschte. Doch von einer Zweitliga-gemäßen Defensivarbeit konnte auch in dieser Phase keine Rede sein.

Oder wie es Jörg Bohrmann so treffend ausdrückte: "Unsere Deckung hat ziemlich genau das Gegenteil von dem gemacht, was sie eigentlich sollte." So hatte der Dormagener Trainer seine Schützlinge vor der starken linken Angriffsseite der Gastgeber mit Jasper Adams im Rückraum und Stian Brevik auf der Außenbahn gewarnt. Die Deckungsformation sollte deshalb stets versetzt nach links wandern, wenn der Erstliga-Absteiger im Positionsangriff war.

So der Plan. In der Realität erzielten Brevik (10) und Adams (6) zusammen 16 Tore. "Als Trainer bist du machtlos, wenn die Jungs im Spiel nicht hören, was du sagst", stellte Bohrmann leicht resigniert fest. Für den 46-Jährigen ein Zeichen der mangelnden Erfahrung: "Die jungen Spieler sind bei diesem Tempo überfordert. Die können noch nicht so schnell die richtigen Entscheidungen treffen."

Den Versuch, den gnadenlosen Tempo-Handball des nach erst zwei Saisonsiegen und ebenso vielen Unentschieden offensichtlich mächtig unter Druck stehenden internationalen Ensembles des TVE zu konterkarieren und Ruhe ins Spiel zu bringen, unternahmen die Gäste erst gar nicht. Im Gegenteil, sie ließen sich auf einen Schlagabtausch mit offenem Visier ein.

Und taten das über weite Strecken im Angriff sogar ausgesprochen gut. Obwohl die Hausherren körperlich haushoch überlegen waren, hielten die Dormagener in puncto Trefferquote dagegen und damit die Partie lange offen. "Wir hatten sechs Minuten vor Schluss die Möglichkeit, wieder bis auf zwei Tore heran zu kommen. Wäre uns das gelungen, wäre die Halle ruhig gewesen und wir hätten das Ding noch drehen können," spekulierte Bohrmann. Und war mächtig sauer darüber, dass es nach dem Treffer von Jo-Gerrit Genz zum 36:39 (54.) dann ganz anders kam: "Da waren wir wieder viel zu kopflos."

In der Tat: Ausgerechnet, als die müder werdenden Hausherren öfter in der Dormagener Deckung hängen blieben oder an Sven Bartmann scheiterten, verlor das Angriffsspiel der Bayer-Handballer an Präzision: "Da haben dem Gegner zwei, drei Bälle einfach in die Hand gegeben", ärgerte sich der Trainer. Den Rest erledigte dann der nach 54 Minuten wieder zwischen die Torpfosten gerückte Nils Babin mit fünf Paraden in den letzten sechs Minuten.

Vielleicht wäre es anders gekommen, hätte sich Dennis Marquardt das aberwitzige Spiel nicht von draußen ansehen müssen: Schmerzen im Handgelenk ließen einen Einsatz des routinierten Abwehrchefs nicht zu, der nach dem Aufwärmen resigniert abgewunken hatte. Weil sich der 29-Jährige damit schon seit Wochen herumplagt, fürchtet Bohrmann das Schlimmste: "Wenn Dennis uns jetzt länger ausfällt, bekommen wir echte Probleme." Denn ein Turm in der Abwehrschlacht ist im restlichen Aufgebot weit und breit nicht in Sicht.

Ansonsten zog der Dormagener Trainer ein Fazit, das er schon öfter in dieser Saison ziehen konnte: "Wir waren selbst von einem Team mit einer solch starken individuellen Besetzung nicht weit entfernt." Doch fürs Nah-dran-sein gibt es keine Punkte - auch nicht für einen Aufsteiger.

(NGZ)
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