Dormagen Tod in Delrath — Debatte im Netz

Dormagen · Das Eifersuchtsdrama in Delrath schlägt auch im Internet hohe Wellen. Beim sozialen Netzwerk Facebook diskutieren Freunde, Fremde und Verwandte auf der Profilseite des Täters. Doch wie viel Ethik lässt das Netz noch zu?

Die Akte des Delrather Eifersuchtsdramas am Sonntag konnte aus polizeilicher Sicht schnell geschlossen werden. Der 44-Jährige Kölner, der einen 23-Jährigen erschossen hatte, stellte sich noch am Tatabend den Ordnungshütern in Köln-Nippes. Im Internet wird seitdem der Fall in aller Öffentlichkeit seziert. Über 100 Kommentatoren reden sich im sozialen Netzwerk Facebook die Köpfe heiß, beschimpfen sich und diskutieren die Schuldfrage. Doch wie viel Platz bleibt noch für Ethik und Pietät? Eine sachliche Diskussion findet nicht mehr statt.

Der Hackenbroicher Pfarrer Ingo Schiefelbein meint: "Die Grenze von Anstand, Respekt und Achtung wird massiv verletzt." Bei ihren Schuldzuweisungen schaukeln sich Freunde und Verwandte von Opfer und Täter gegenseitig hoch. "Dabei wäre es besser", findet Schiefelnbein, "wenn man sich zusammenhockt und das direkte Gespräch sucht." Oft kämen in der Anonymität die finstersten und hasserfülltesten Seiten der Menschen zum Vorschein. Doch was heißt schon anonym? Mit Bild und Klarnamen diskutieren die Nutzer den Tathergang. Da wirft eine Userin anderen vor, "kein Herz und kein Hirn" zu haben; der Täter wird ebenso attackiert und in Schutz genommen.

Die Anmerkung einiger Nutzer, Facebook solle das Konto des Mörders abschalten, blieb bisher unerhört. Eine schriftliche Anfrage der NGZ bei Facebook, ob dies noch geschehen werde, blieb unbeantwortet. "Solange keine Gesetze gebrochen werden, greift Facebook nicht ein", erklärt der renommierte Medienpsychologe Jo Groebel. Er vergleicht Facebook mit einem Telefonanbieter, der die Verbindungsmöglichkeiten schafft, sich um den Inhalt der Gespräche aber nicht kümmert. Ist das gut oder schlecht? Es ist wohl ein Abwägen zwischen Opferschutz und Freiheit der Meinungsäußerung. Groebel nennt Facebook eine "Plattform mit Gruppendynamik, auf der höchst emotional diskutiert" werde. Und das in einer Halböffentlichkeit, in der die Privatheit nur scheinbar privat ist.

Brisant findet der Medienpsychologe die Tatsache, dass der mutmaßliche Mörder im Vorfeld die Tat indirekt ankündigt. "Das ist natürlich eine Riesenbelastung für Freunde und Verwandte." Und in der Tat schrieb der Täter am frühen Sonntagmittag: "Ich will lieber sterben, als so weiter zu leben. Sorry an alle, die an mich geglaubt haben." Die Kinder des Täters reagierten darauf im Netz entsetzt. Auch die Staatsanwaltschaft befasst sich mit den Einträgen. "Wir werten aus und versuchen an das zu kommen, was bereits gelöscht wurde", erklärt Staatsanwältin Britta Schreiber.

(NGZ)
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