Dormagen Siedlergemeinschaft: Alte Idee ist ganz aktuell

Dormagen · Vor 65 Jahren wurden die Häuser rund um die Wartburgstraße fertig. Anwohner pflegen trotz Generationenwechsels den Zusammenhalt.

Alles begann mit einem zwei Mal zwei Meter breiten Loch. Und weil der Schützenfestsamstag 1950 in Dormagen ein sonniger, heißer Tag war, floss reichlich Schweiß bei den 20 Männern, die per Handarbeit mit dem Ausschachten für den Bau des ersten Hauses der neuen Siedlung Wartburgstraße begonnen hatten. Trotz des mühevollen Schuftens waren nicht lange Zeit danach die ersten Häuser bezugsfertig, weil die Bauherren, meistens Vertriebene aus Ostdeutschland und andere Kriegsflüchtlinge, an einem Strang zogen. Der Gemeinsinn hat bis heute überlebt rund um die Wartburgstraße. Die Siedlergemeinschaft Dormagen, die in der Aufbauzeit von den neuen Nachbarn gegründet wurde, konnte jetzt zwei Tage lang ihr 65-jähriges Bestehen feiern.

72 Haushalte gehören momentan zur Siedlergemeinschaft, mindestens einmal im Jahr wird gemeinsam gefeiert - früher im Garten, seit den 1990er Jahren auf der Straße. Dormagens stellvertretender Bürgermeister Andreas Behncke stellte fest, wie modern das Zusammenleben in der Siedlung ist. "Das ist etwas ungeheuer Aktuelles", sagte Behncke in seiner Ansprache, "vor 65 Jahren wurde in dieser Siedlergemeinschaft eine Idee verwirklicht, die wir heute mühsam wiederzubeleben versuchen: nämlich die des nachbarschaftlichen Wohnens und der Selbsthilfe." Häuser für Mehrgenerationenwohnen und Nachbarschaftsinitiativen, bei denen man sich gegenseitig bei Problemen durch Alter oder Krankheit unterstütze, knüpften an die damaligen Grundsätze an.

 Schon in der Bauphase um 1950 war der Gemeinsinn stark ausgeprägt.

Schon in der Bauphase um 1950 war der Gemeinsinn stark ausgeprägt.

Foto: Albrecht

Mittlerweile ist der Generationenwechsel in der Siedlung Wartburgstraße in vollem Gange. Fred-Reiner Albrecht, Jahrgang 1962 und seit zwölf Jahren Vorsitzender der Siedlergemeinschaft Dormagen, ist in sein Elternhaus zurückgekehrt, hat es umgebaut und modernisiert. Viele andere Nachkommen der Gründergeneration haben es auch so gemacht und sind nach dem Tod der Eltern wiedergekommen. "Es sind nun die zweiten, die dritten Generationen, die hier aus den Fenstern schauen. Immer noch wird gewerkelt, verbessert und umgebaut. Das ehrt uns", urteilt Albrecht. Zwar hätten sich die Zeiten geändert, die Nachbarschaft sei aber gut geblieben. Das zeigte sich nun auch bei der Organisation des Festes am Wochenende. "Am Freitag waren zehn bis zwölf Leute beim Aufbau dabei, und ungefähr die gleiche Anzahl hat auch beim Abbau geholfen", erzählte Albrecht gestern erfreut.

 Die Häuser an der Wartburgstraße (hinten) im Bau Anfang der 50er Jahre.

Die Häuser an der Wartburgstraße (hinten) im Bau Anfang der 50er Jahre.

Foto: Albrecht

Trotz der zweifellos anstrengenden Arbeiten: So schwer wie ihre Väter und Großväter haben es die heutigen Siedler - zum Glück - nicht mehr. Albrecht erinnerte daran, wie die Arbeiten bei der Siedlungsgründung gelaufen waren: Gebaut wurde mit Erlaubnis der Polizei wochentags bis 22 Uhr, sonntags von 7 bis 12 und von 14 bis 19 Uhr. Und das alles neben dem normalen Berufsalltag. Sonntags gab es allerdings mitunter auch Gelegenheit, Spaten und anderes Werkzeug aus der Hand zu legen: Wenn Pfarrer Stockkamp vorbeikam, um eine kurze Andacht abzuhalten.

(NGZ)
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