Dormagen Nievenheim sucht den Brandstifter

Dormagen · Die Polizei hat den Unbekannten, der das Feuer unter der A 57-Brücke gelegt hat, noch nicht gefasst. Die Ermittler vermuten, dass er möglicherweise in Nievenheim wohnt. Die Einwohner der Ortschaft geben der Polizei Hinweise. Doch der entscheidende Tipp ist offenbar noch nicht dabei gewesen.

Im Dorfcafe von Sabine Beuler herrscht Hochbetrieb. Es ist Mittagszeit, kurz nach halb eins. Nach und nach füllt sich die urige Gaststätte an der Neusser Straße in Nievenheim. Die 38-jährige Inhaberin bringt Strammen Max und diverse Süppchen an die Tische. Dazu wird Kölsch serviert. "Wir fühlen uns als Kölner, haben mit Düsseldorf nicht viel am Hut", sagt die gebürtige Nievenheimerin. Fast jeder ihrer Gäste fragt sie nach dem Brandstifter, der die Plastikrohre unter der Brücke der A 57 angezündet hat. "Es gibt derzeit kein anderes Gesprächsthema", sagt sie. "In der ganzen Gemeinde herrscht seitdem Unruhe."

Zwei Wochen ist die tödliche Massenkarambolage auf der A 57 jetzt her, bei der ein 29-Jähriger ums Leben gekommen ist und 14 Menschen zum Teil schwer verletzt worden sind. Die durch das Feuer beschädigte Brücke ist seit vorgestern abgerissen. Der Brandstifter läuft noch frei herum. Die Menschen im zu Dormagen gehörenden Nievenheim (etwa 6700 Einwohner) sind schockiert. Die Polizei vermutet, dass der Täter in der Ortschaft oder den Nachbargemeinden zu finden ist - und dass es ein Jugendlicher gewesen sein muss, der das verheerende Feuer gelegt hat. Seit dem Wochenende hängen im ganzen Dorf Fahndungsplakate aus. Die Ermittler hoffen darauf, Hinweise aus der Bevölkerung zu erhalten. "Wir haben schon viele Tipps von den Anwohnern bekommen", sagt ein Polizeisprecher. Profiler des Landeskriminalamtes (LKA) und Brandsachverständige gleichen Spuren mit vergleichbaren Fällen aus der jüngeren Vergangenheit ab. Beobachter vermuten, dass die Ermittler den Täterkreis bereits auf einige Personen reduziert haben könnten.

Einen verwertbaren Hinweis auf den Brandstifter konnte Sabine Beuler oder einer ihrer Gäste der Polizei noch nicht geben. An einem Ecktisch in ihrem Lokal sitzt Paul-Erich Kohl bei Kaffee und Schwarzwälder-Kirsch-Torte. Der ehemalige Realschullehrer für Deutsch und Englisch kommt jeden Tag ins Dorfcafe. Den Pensionär hat das Unglück tief bewegt. Sein Schwager kannte den verunglückten 29-Jährigen aus Jüchen. "Ich hoffe, dass die Polizei den Brandstifter bald fasst - er gehört hinter Schloss und Riegel", sagt er, während er in der Zeitung blättert, bis er ein Foto von der Brücke aufschlägt. "Auch wenn ich wütend bin", sagt er, "ich glaube nicht, dass der Täter wollte, dass ein Mensch stirbt." Einige Anwohner berichten, dass sie in der Tatnacht, ehe das Feuer ausbrach, mehrere Autos unter der Brücke haben wegfahren sehen.

Nievenheim liegt zwischen den Ortschaften Delrath und Gohr, die durch eine schmale Hauptstraße miteinander verbunden sind. Seit der Sperrung der Autobahn 57 zwischen Dormagen und dem Kreuz Neuss-Süd haben die Anwohner kaum noch eine ruhige Minute. Es herrscht Chaos auf den Straßen", sagt die Inhaberin des Friseursalons "HauptSache", Sandra Schmitz-Stein. "Besonders die Lastwagen fahren in einer Tour durch unsere Gemeinde", sagt sie. In ihrem Geschäft wird fast nur noch über die Brandstiftung gesprochen. "Es ist schrecklich, was passiert ist", sagt Hans Welter. Der 67-Jährige lässt sich von der Friseurin seinen Haarkranz rasieren.

Vor der örtlichen Grundschule in der Nähe des Friseurs warten um kurz nach 13 Uhr einige Eltern auf ihre Kinder. Angelika Thönneßen holt ihre Tochter vom Unterricht ab. "Es ist ein komisches Gefühl, dass der Täter noch frei herumläuft und mitten unter uns wohnt", sagt sie. "Man denkt sich schon manchmal, dass es vielleicht auch der eigene Nachbar gewesen sein könnte - ein furchtbarer Gedanke." Eine andere Mutter lässt ihre beiden Söhne sogar nicht mehr aus den Augen. "Ich habe Angst, solange der Täter nicht geschnappt ist. Wenn der ein Feuer legt, dann ist der auch zu noch Schlimmerem fähig", sagt sie.

In der Bäckerei Meusen neben der katholischen Kirche im Ortskern von Nievenheim sitzt Hans Gleitz und rührt mit einem Löffel in einem Milchkaffee. "Die Kriminalität in unserem Dorf steigt seit Monaten stark an", sagt der 65-Jährige. Erst am Wochenende seien wieder zwei Jugendliche beim Beschmieren einer Schallschutzwand von der Polizei geschnappt worden, berichtet er und fasst sich ans Kinn: "Ich verstehe nicht, wieso der Brandstifter noch nicht gefasst werden konnte."

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