Dormagen Menschenkette erinnert an Solingen-Opfer

Dormagen · Mit einer Kundgebung erinnerten Schüler und Erwachsene gestern an die Opfer des Brandanschlags von Solingen.

 Integrationsratsvorsitzender Mehmet Güneysu (l.), Eftelya Karaca am Rednerpult und die Menschenkette setzten gestern Zeichen gegen Gewalt.

Integrationsratsvorsitzender Mehmet Güneysu (l.), Eftelya Karaca am Rednerpult und die Menschenkette setzten gestern Zeichen gegen Gewalt.

Foto: H. Jazyk

Mehr als 600 Dormagener — vor allem Schüler — haben gestern mit einer Kundgebung auf dem Rathausplatz ein beeindruckendes Zeichen gegen Fremdenhass und für Toleranz und Frieden gesetzt. Mit Ansprachen und einer Schweigeminute, während der sie eine Menschenkette bildeten, gedachten sie der fünf Opfer des Brandanschlages auf das Haus der türkischen Familie Genc vor 20 Jahren in Solingen — 20 weiße Friedenstauben stiegen dazu gestern in den Himmel. Aufgerufen zur Mahnfeier, zu deren Beginn die Kirchenglocken in der Innenstadt läuteten, hatten die Stadt und der Integrationsrat.

 Integrationsratsvorsitzender Mehmet Güneysu (l.), Eftelya Karaca am Rednerpult und die Menschenkette setzten gestern Zeichen gegen Gewalt.

Integrationsratsvorsitzender Mehmet Güneysu (l.), Eftelya Karaca am Rednerpult und die Menschenkette setzten gestern Zeichen gegen Gewalt.

Foto: H. Jazyk

Dessen Vorsitzender, Mehmet Güneysu, findet bewegende Worte, als er von seinen persönlichen Empfindungen am Tag des Brandanschlags spricht: "Ich war zutiefst schockiert und fühlte mich von meinen deutschen Kollegen allein gelassen", berichtet er von 1993, als er spontan daran gedacht hatte, "dieses Land sofort zu verlassen". Er habe sich persönlich durch die fremdenfeindliche Stimmung und die rund 300 Anschläge in dieser Zeit in Deutschland bedroht gefühlt. "Nach einige Tagen wurde mir klar, diese Entscheidung nicht allein treffen zu können: Meine Kinder sind hier geboren und aufgewachsen, Deutschland ist auch meine Heimat", sagt Güneysu: "Und mit einer Abreise hätte ich die Rechtsradikalen nur bestätigt, die uns vertreiben wollten." Gegen Feindseligkeit und Rassismus sei inzwischen viel getan worden, es sei die Aufgabe der gesamten Gesellschaft, die vielen Gemeinsamkeiten der Kulturen zu betonen und sich nicht von wenigen Unterschieden trennen zu lassen: "Wir sollten uns nicht von Rassisten entmutigen lassen, sondern uns für den Frieden der Kulturen und damit für den Weltfrieden einsetzen", sagt Mehmet Güneysu.

Dormagen: Menschenkette erinnert an Solingen-Opfer
Foto: dpa, obe fpt

Gerade hat Bürgermeister Peter-Olaf Hoffmann den Freundschaftsvertrag der Stadt Dormagen mit der türkischen Stadt Göynük unterzeichnet, nun erklärt er angesichts der zehn Morde, die der Zwickauer Terrorzelle NSU angelastet werden, dass ihn diese Dimensionen fassungslos machen: "Ich persönlich hätte es nicht für möglich gehalten, in unserem Land noch einmal solche Auswüchse einer nationalsozialistischen Gesinnung zu erleben." Die Neonazis seien immer noch da, so laute die bittere Erkenntnis 20 Jahre nach Solingen. Hoffmann appelliert an die Teilnehmer der Gedenkfeier: "Lassen Sie uns diese Bitterkeit in positives Engagement verwandeln und uns für ein friedliches Zusammenleben mit unseren ausländischen Mitbürgern und den Migranten einsetzen."

Für Toleranz, Frieden, Gemeinsamkeit und gegenseitigen Respekt sprechen sich auch die anderen Redner aus, von BSV-Chef Rolf Starke über den Stadtsportverbandsvorsitzenden Claus Radke bis zu David Hasler, Schüler der 9c des Bettina-von-Arnim-Gymnasiums. Dabei komme es darauf an, schon rassistischen Bemerkungen mit Zivilcourage energisch entgegenzutreten.

Eftelya Karaca, Schülerin der Grundschule Burg, erklärt: "Heimat ist mehr als Vater- und Mutterland und der Ort der Verwurzelung — Heimat ist der gemeinsame Ort, an dem Menschen zusammenleben und ihn miteinander gestalten."

(NGZ/top)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort