Dormagen Meisen verenden auf "Klebefalle"

Dormagen · Tierquälerei oder professioneller Vogelfang? Per Köder haben Unbekannte die Tiere auf eine Klebstoffpappe gelockt.

 Tierpflegerin Tanja Kalkowsky zeigt die Rückseite einer der Pappen, auf denen die verendeten Vögel kleben. Das Beweismaterial wird vorerst aufbewahrt.

Tierpflegerin Tanja Kalkowsky zeigt die Rückseite einer der Pappen, auf denen die verendeten Vögel kleben. Das Beweismaterial wird vorerst aufbewahrt.

Foto: jazyk

So etwas Grausames hat die langjährige Tierpflegerin Tanja Kalkowsky noch nicht gesehen, obwohl sie im Tierheim "einiges gewöhnt" sei: "Ich war geschockt", berichtet die Mitarbeiterin des Dormagener Tierheims in Hackenbroich. Auf mehreren Pappen waren zehn Meisen festgeklebt — alle noch lebendig. Die Frau, die die Pappen mit den Tieren im Tierheim abgab, sei ebenso geschockt gewesen, sagt Kalkowsky.

 Ausschnitt von der Vorderseite: Käsestücke als Köder.

Ausschnitt von der Vorderseite: Käsestücke als Köder.

Foto: Jazyk//privat (2)

Die Frau war mit ihrer Tochter mit dem Rad in der Nähe des Chorbuschs unterwegs gewesen, als sie im Gebüsch die Pappen entdeckt hatte. Der oder die Täter hatten sich kaum Mühe gemacht, die Fallen zu tarnen. Die Fallen, das waren zwei mit Klebstoff bestrichene Pappen, auf denen als Köder Käsestückchen klebten. Nach und nach waren Meisen angelockt worden und hingen schließlich in der Falle fest. Zehn waren es letztlich — fünf Kohlmeisen und fünf Blaumeisen.

"Ich bin mit den Tieren zu unserer Tierärztin gefahren", erzählt Kalkowsky. Sie hörte die Tiere im Kofferraum während der ganzen Fahrt verzweifelt zirpen. Doch bei der Veterinärin sei schnell klar gewesen, dass den Tieren nicht mehr zu helfen war. "Sie waren nicht von den Pappen zu lösen", berichtet die Tierpflegerin. Es sei ihnen nichts anderes übrig geblieben, als die Vögel von ihrem Leid zu erlösen. "Das war kein normaler Klebstoff", ist sich Kalkowsky sicher.

Denn das Gemisch sei im Gegensatz zu Sekunden- oder anderen handelsüblichen Klebstoffen nicht getrocknet, sondern blieb feucht. Das Tierheim erstattete am Tag darauf Anzeige. Die Polizei bestätigt, dass sie wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz ermittele. "So einen Fall hat es bislang bei uns noch nicht gegeben", sagt Polizeisprecher Hans-Willi Arnold.

In anderen Orten schon, etwa in Bonn. Dort ist das als gemeinnützig anerkannte "Komitee gegen den Vogelmord" beheimatet. Der Verein setzt sich europaweit unter anderem gegen Tierhandel, Vogelfang und Wilderei und für den Schutz der Zugvögel ein. "In Bonn waren das Fälle von professionellem Vogelfang", sagt Sprecher Axel Hirschfeld. Gerade in Italien und Nordafrika gelten Singvögel als Delikatesse und werden daher gejagt. Bei den Fällen in Bonn sind die Vogelfänger — zwei Nordafrikaner — laut Hirschfeld rechtskräftig verurteilt worden. Gefangene Vögel würden entweder an Restaurants oder — so sie noch leben — als Haustiere verkauft.

Im Dormagener Fall sei das Ziel der Täter nicht leicht zu schlussfolgern. "Es ist sehr ungewöhnlich, dass Käse als Köder verwendet wurde. Das lässt eher darauf schließen, dass Nagetiere angelockt werden sollten", sagt Fachmann Hirschfeld. Denn wer gezielt Meisen fangen wolle, benutze in der Regel Meisenknödel.

"Das kann aber darauf hindeuten, dass es sich um Anfänger handelt", sagt Hirschberg. Dafür spreche auch, das kein Versuch unternommen worden war, die Falle in der Nähe des Weges zu tarnen. Aber auch ein Fall von Tierquälerei eines Tierhassers oder Jugendlichen, die sich einen sehr üblichen Spaß erlaubt hätten, sei nicht auszuschließen. Die Art der Klebefalle oder sogenannte Leimroute allerdings deute tatsächlich auf Vogelfänger hin, auch wenn dabei früher und in den südlichen Ländern meist nicht Pappen, sondern Äste mit Pech und ähnlichem eingestrichen worden waren. In Zypern etwa werden die Tiere derzeit noch mit hunderttausenden solcher Leimrouten gejagt.

(NGZ/rl)
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