Konzert in Knechtsteden „Vox Nostra“ lässt gregorianische Gesänge lebendig werden

Knechtsteden · Vor einer voll besetzten Basilika wurde an Allerheiligen eine glaubensstarke Zeit mit gregorianischen Gesängen zu neuem Leben erweckt. Einen passenderen Termin hätte es für dieses große musikalische Ereignis wohl kaum geben können.

Vox Nostra überzeugte in der Basilika mit mittelalterlichen Klängen.

Vox Nostra überzeugte in der Basilika mit mittelalterlichen Klängen.

Foto: Shawn Kühn

Und Gregorianik hat in der geistlichen Musik eine wohlverdiente Sonderstellung. Großen Nachdruck gab diesem hohen Ansehen am frühen Dienstagabend das Ensemble „Vox Nostra“. Nicht nur eingerahmt wurden die Sänger Philip Cielewicz (Altus), Burkard Wehner (Tenor), Werner Blau (Bass-Bariton), und Tobias Hagge (Bass) von Shawn Kühn an der Orgel.

Haben die Klostergänge und Kathedralen einst erfüllenden Gesänge genauso geklungen? Oder gibt es eine Parallele zu vielen Aufführungen klassischer Musik, bei der oft genug vor notengerechter Perfektion die Hintergründe versinken? Beim Auftritt des Berliner Ensembles kam dieser Eindruck in keinem Moment auf. Glaubwürdigkeit in seiner zweideutigen Bedeutung stellte sich mit der größten Selbstverständlichkeit ein, denn neben dem Ensemble waren die Zuhörer spirituell gefordert. Am Schluss durften sie sogar selbst gregorianisch singen.

Diese vom großartigen Shawn Kühn in die Basilika postierte Musik zog von Anfang an in den Bann. „Eine authentische Zeitreise“, befand der Organist. Und er hatte nach der langen Corona-Durststrecke für die Liebhaber geistlicher Musik vollkommen recht. Bereits beim Introitus „Gaudemus omnes in Domino“, als das Ensemble aus dem Kreuzgang in die Basilika überwechselte, gerieten die Besucher in eine andere Welt. Homogenität des Klangs blitzte auf, unterlegt von unfassbar durchdringenden Bass-Tönen.

Mal standen die Sänger am vorderen Altar auf einem Plateau, mal hinten im Altarraum, mal wallten sie singend durch die Außengänge oder sangen sogar in der Apsis. Shawn Kühn spielte auf seine technisch anspruchsvolle Weise auf „großer“ und „kleiner“ Orgel und bereicherte das gregorianische Vokabular mit zeitnäheren Variationen.

Das Publikum hatte sehr viel zu gewinnen, wenn es die Angebote annahm. Immerhin ist ein katholischer Christ mit so viel Lateinwissen ausgestattet, dass er zumindest die Titel deuten konnte. Einzelne ausgedruckte Gesangstexte hätten trotzdem dem Verständnis gutgetan. So behielt die Musik ihre spröde Andersartigkeit. Sie erfüllte ihren Verkündigungsauftrag betend, appellierend und vor allem imaginierend. Sehr gute Beispiele dafür waren das Credo aus der Messe von Tournai und die Allerheiligenlitanei, wobei nahezu sämtliche Seliggesprochene zum Ora pro nobis aufgerufen wurden.

Das Akustik-Wunder der Basilika war wieder einmal zur Stelle und kam den Ansprüchen dieser herrlich geschulten Stimmen von Vox Nostra bei jedem Stück nach. Und so ergab sich ein wunderbarer Abend der Andacht, des Kunstgenusses und des Wiederauflebens des Mittelalters. Das natürlich ganz anders war, als die gängige Verfemung als „dunkel“ glauben macht.            

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