Interview mit Dormagens Bürgermeister und Personalrätin „Verwaltung darf nicht Spielball der Politik sein“

Dormagen · Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld und Personalrätin Renate Dixon betonen: Neue Aufgaben für die Stadt können nur mit mehr Personal gestemmt werden - die Belastungsgrenze vieler Rathaus-Mitarbeiter sei erreicht.

Herr Lierenfeld, der Stadtrat ist dem Verwaltungsvorschlag, für das S.O.S.-Paket für mehr Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit am Bahnhof mehr Personal für den Bauhof und das Ordnungsamt einzusetzen, nicht gefolgt. Sind die Maßnahmen noch durchführbar?

Erik Lierenfeld Nicht mehr in dem erforderlichen Maße. Wir werden die Aufgaben weiter so wahrnehmen, wie wir das mit dem vorhandenen Personal leisten können. Aber die geplante regelmäßige Ausweitung der Kontroll-Zeiten in die Abendstunden und am Wochenende und an Feiertagen wie beim Tanz in den Mai oder an Karneval ist dann eben nur eingeschränkt möglich. Das gilt übrigens auch für die Reinigung durch die Bauhofmitarbeiter. Mir ist wichtig, dass nicht nur das Bahnhofsumfeld, sondern das gesamte Stadtgebiet profitiert hätten.

Um das vorgesehene Schichtmodell umzusetzen, hätte es wie vieler Leute im Ordnungsamts-Außendienst bedurft?

Lierenfeld Wir wollten mit acht statt jetzt sechs Mitarbeitern probeweise den Schichtdienst einführen. Das war also keine Maximalforderung, sondern beruhte auf zurückhaltenden Schätzungen. Als ich als Bürgermeister angefangen habe, hatten wir drei Kräfte im Außendienst des Ordnungsamtes. Aber: Mehr Aufgaben bedeuten auch mehr Stellen.

Frau Dixon, wie sieht der Personalrat diese Forderung?

Renate Dixon Für solch ein Schichtmodell braucht man definitiv mehr Personal. Schließlich müssen auch Ruhezeiten, Urlaub und Krankheit mit eingeplant werden. Nach der Probephase für den Ordnungsdienst im vorigen Jahr sind wir sicher, dass eine größere Anzahl an Kräften für das Schichtmodell nötig wäre, eher neun als acht Mitarbeiter. Wenn die Politik dauerhafte Kontrollen im angedachten Umfang am Bahnhof wünscht, geht das nur mit mehr Personal.

Die CDU hat argumentiert, dass genügend Personal vorhanden wäre, um das alles auch so umzustrukturieren. Ist das machbar?

Lierenfeld Nein, das ist nicht machbar. Umsetzungen sind zwar grundsätzlich denkbar, aber dafür bräuchten wir Spielräume. Und die haben wir aufgrund der zusätzlichen Aufgaben einfach nicht mehr. Wir haben uns ja als Verwaltung der Aufgabenkritik gestellt und Ideen für Aufgaben, die wegfallen könnten, formuliert. Aber der Rat hat keine Aufgaben abgeschichtet. Wir sind Dienstleister, das bedeutet: Wir müssen und wollen Fristen für den Bürger einhalten. Aber wenn wir das aufrechterhalten sollen und der Rat neue Dinge von uns einfordert, dann sollte er auch einsehen, dass das etwas kostet: mehr Personal und damit mehr Geld.

Wären solche Umsetzungen von einem Verwaltungsbereich in einen anderen überhaupt erlaubt?

Lierenfeld Ich kann nicht einfach einen Mitarbeiter auf eine andere Stelle schieben. Bei Beamten etwa gibt es das Recht auf amtsangemessene Beschäftigung. Und das schließt bis auf wenige Ausnahmen aus, dass der Beamte eine niedrigere Tätigkeit ausführt.

Dixon Eine Umsetzung geht nur nach Zustimmung durch den Personalrat. Und wir schauen darauf, ob der Mitarbeiter einverstanden ist, es von Gesundheits- und Qualifizierungsvorgaben passt. Ein Sozialpädagoge aus dem Familienbüro zum Beispiel wird eher nicht Bußgelder verhängen oder Müll aufsammeln.

Wie sieht die Belastung der Rathaus-Mitarbeiter generell aus? Vor einem Jahr war schon die Rede von „am Rande des Machbaren“ – hat sich das verändert?

Lierenfeld Die Anforderungen an unsere Mitarbeiter sind hoch. In meiner Amtszeit haben wir zahlreiche Bereiche von externen Fachleuten untersuchen lassen – ein Wunsch, der aus der Mitarbeiterschaft an mich herangetragen wurde: Bei jeder dieser externen Untersuchungen ist festgestellt worden, dass Personal im Rathaus fehlt. Wer vom Rat mehr Aufgaben bekommt, muss auch mehr Personal bekommen. Dabei gehen wir mit dem Mehr an Stunden und erst recht Stellen behutsam um und diskutieren jede einzelne Aufstockung oder Ausschreibung.

Dixon Die Grenze der Belastbarkeit ist in vielen Bereichen schon überschritten, Mitarbeiter werden krank oder wechseln. Sorgen machen uns unter anderem viele „alte Hasen“, die sich mit der Dienststelle verbunden fühlen und ihre Belastungsgrenzen überschreiten. Sie müssen wir schützen. Helfen kann da eine moderne Art der Personalführung, um die Leute zu motivieren und auch zu entlasten.

Die CDU hat behauptet, Sie als Bürgermeister hätten seit 2014 rund 50 zusätzliche Stellen gefordert... Und wie sieht die Mitarbeiterentwicklung im Rathaus aus?

Lierenfeld Das stimmt nicht. Von 2014 bis 2019 hat der Rat die Stellenpläne beschlossen. Insgesamt mussten 92 zusätzliche Stellen geschaffen werden, wozu auch die externen Untersuchungen beigetragen haben. Das gilt für die Feuerwehr zur Einhaltung des Brandschutzbedarfsplans ebenso wie bei Erzieherinnen für immer neue Kindertagesstätten und für den Integrationsbereich. Dafür habe ich aber auch Stellen eingespart. Das beste Beispiel dafür ist die Verwaltungsspitze, in der es eine Beigeordneten-Stelle weniger gibt. Immer dann, wenn ein Arbeitsbereich wegfällt oder Neubesetzungen anstehen, wird die Arbeitsstelle auf den Prüfstand gestellt.

Welche Rolle spielt die langfristige Perspektive der 25 Prozent durch Ruhestand/Pension ausscheidenden Mitarbeiter?

Lierenfeld Wir können die ausscheidenden Mitarbeiter nicht 1:1 ersetzen. Aber wir planen mit mehr Auszubildenden, denen wir vernünftige Arbeitsplätze anbieten. Der Fachkräftebedarf ist hoch, und es ist gar nicht so einfach, gute Leute von außen zu gewinnen.
Dixon Verwaltung hat andere Strukturen als die freie Wirtschaft. Da müssen qualifizierte Seiteneinsteiger ohne Verwaltungserfahrung im laufenden Betrieb noch „nachgeschult“ werden, damit Reibungsverluste vermieden werden. Das braucht Zeit.

Was tut die Stadt, um als Arbeitgeber attraktiv genug für neue Bewerber zu sein?

Dixon Wir müssen unsere attraktiven Aufgaben noch besser herauszustellen, auch das Arbeitsumfeld: Wir haben Gleitzeit, eine gute Work-Life-Balance, einen sicheren Arbeitsplatz und sehr interessante Arbeitsfelder, zusätzlich ist ein gutes Arbeitsklima mit wertschätzendem Umgang miteinander extrem wichtig und ein allumfassendes Gesundheitsmanagement. Da ist noch Luft nach oben. Darüber hinaus könnte ich mir zum Beispiel E-Bikes für Mitarbeiter oder mehr Heimarbeitsplätze sehr gut vorstellen.

Lierenfeld Arbeitsklima und Arbeitsbedingungen müssen stimmen. Die Arbeitsbereitschaft im Rathaus ist hoch. Damit das so bleibt, dürfen sich die Mitarbeiter aber nicht ausgenutzt fühlen.

Wie wollen Sie der Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter gerecht werden – zum Beispiel angesichts pauschaler Kritik am Eigenbetrieb wie in der Ratssitzung?

Lierenfeld So eine pauschale Kritik lasse ich nicht durchgehen. Kritik in der Sache ist immer richtig und wichtig, damit gehen wir auch offen um. Aber gegen das Zerrbild der inkompetenten Rathausmitarbeiter wehre ich mich ganz entschieden. Ich lade jeden, auch Ratsmitglieder, ein, sich bei einer Hospitanz anzuschauen, wie die Verwaltung arbeitet. Wir sind transparent. Auch der Rat hat Verantwortung für die Verwaltung, deren Steuerungsgremium er ist. Gemeinschaftlich sollten wir zum Wohle der Bürger arbeiten.

Dixon Wir teilen die Haltung des Bürgermeisters. Wir wenden uns nicht gegen berechtigte, konstruktive Kritik, wohl aber gegen pauschale Kritik und Polemik. Der Ton macht die Musik. Wir Rathaus-Mitarbeiter sind nicht der Spielball für politische Auseinandersetzungen. Da würden wir uns wünschen, dass weniger das parteipolitische Ego, sondern die Sache im Vordergrund stünde.

Was kann der Personalrat tun?

Dixon Anders als Betriebsräte sind wir ein nach innen gerichtetes Gremium mit eingeschränkten Rechten in der Öffentlichkeit. Wir können uns im Rat oder Hauptausschuss zu Wort melden, wenn es z. B. um den Stellenplan, Privatisierungsmaßnahmen wie das ÖPP oder Betriebliches Eingliederungs-Management geht. Wir stehen den Rats-Fraktionen, immer in Abstimmung mit dem Bürgermeister, auch als Ansprechpartner zur Verfügung und legen gern dar, wie es mit der Belastung der Mitarbeiter aussieht.

Lierenfeld Der Personalrat und der Verwaltungsvorstand sind zwar nicht immer einer Meinung, aber uns ist die Mitarbeiterschaft wichtig. Sie wollen wir gemeinsam schützen.

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