Dormagen Ich bin dann mal einen Baum schlagen

Dormagen · Zu einem vernünftigen Weihnachtsfest gehört natürlich auch ein passender Christbaum. Die Weihnachtsgeschenke brauchen schließlich auch einen Platz. Aber wie funktioniert eigentlich das Baum sägen? Ein Selbstversuch.

Dormagen: Tannenbaum-Schlagen Schritt für Schritt
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Tannenbaum-Schlagen Schritt für Schritt

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Es gibt Dinge, die sollte Mann mindestens einmal in seinem Leben gemacht haben - nachts überteuertes Essen bei der Tankstelle kaufen, einen Berg besteigen, ein Gedicht für die Liebste schreiben und - am wichtigsten - einen Weihnachtsbaum schlagen. Wenigstens letztere Aufgabe konnte ich jetzt erfüllen. Gesucht habe ich meinen perfekten Christbaum. Fündig wurde ich in Dormagen auf dem Grenzhof von Josef Berchem.

Der 78-Jährige Landwirt konzentriert sich seit 2004 auf das Geschäft mit den beliebten Bäumen. Ein harter Konkurrenzkampf, wie er weiß: "Es ist nicht mehr so einfach wie früher, heutzutage kann man überall Bäume kaufen." Viele dächten, in dem Geschäft käme man leicht an Geld, das sei aber harte Arbeit, so Berchem.

Von November bis Weihnachten verkauft er Weihnachtsbäume. Danach gäbe es aber keine Pause. "Ich muss mich das ganze Jahr um die Bäume kümmern. Unkraut, Krähen, auf alles muss man achten." Was die Kunden an seinen Tannen schätzen, weiß er genau. Die Mühe, einen Weihnachtsbaum mit Wurzel zu nehmen, mache sich fast niemand mehr. Zu schwer sei es, den Baum aus der Erde zu bekommen. "Selbst mit meinem 200-PS-Schlepper ist das kaum machbar", so Berchem. Er persönlich bevorzugt seinen Baumständer, so wie die meisten Käufer ebenfalls.

Außerdem seien den Menschen die Abstände zwischen den Kränzen enorm wichtig. "Der Weihnachtsbaum soll möglichst dicht aussehen, kahle Stellen sind absolut tabu", so Berchem. Auch die Spitze sei für ein gutes Weihnachtsfest unabdingbar. "Keiner kauft einen Baum ohne Spitze, da kommt ja der Stern drauf." Besonders Krähen würden diese abknicken. "Nach dem Fressen setzten sie sich einfach auf die Spitzen und brechen sie ab." Deshalb arbeitet der Landwirt elf Monate im Jahr an den Tannen und passt auf. Im verbleibenden Monat verkauft Berchem dann die Ware. Wichtig ist ihm: "Das sind alles Bäume von unserem Hof, wir kaufen keine, um sie weiterzuverkaufen. Die Exemplare wachsen hier seit sechs bis zwölf Jahren", denn solange brauchen die Bäume für die richtige Größe.

Auf dem Grenzhof kann man die Tannen selber fällen oder man lässt den Landwirt ran. Bei den Kunden sind beide Varianten beliebt. Das wäre "teils so, teils so. Da gibt es keine richtige Tendenz."

Übermütig, wie man in der Jugend nun mal ist, greife ich zur Handsäge und suche mir einen passenden Weihnachtsbaum aus. Der ist schnell gefunden. Beim ersten Ansetzen der Säge merke ich: Ohne richtige Technik wird das nichts. "So brauchst du noch den ganzen Mittag", sagt der erfahrene Baumfäller lachend. Er greift ein und zeigt mir, worauf ich achten muss. Tief in die Hocke gehen und die Säge auf Höhe des Stamms halten. So klappt es weitaus besser. Anstrengend ist es zwar immer noch, aber mit ein paar gezielten Aktionen habe ich es dann geschafft. Die Tanne fällt. Stolz erfüllt mich. Der vergeht aber umgehend. Denn: Eine wirkliche Leistung, ist das nicht. Berchem macht das jeden Tag mehrfach und im hohen Alter. Respekt. Anschließend schleppe ich den Weihnachtsbaum zum "Einnetzen". Auch hier merkt man erneut - der Job ist anstrengend. Das Verpacken geht dafür umso leichter. Stamm in die Halterung und ein Knöpfchen drücken. Zack, fertig. Ab ins Auto damit.

So ein Aufwand für ein paar Tage. Aber das Ergebnis ist wirklich schön. Der 78-Jährige winkt zum Abschied und dann geht der Knochenjob weiter. Weihnachten ist zwar die Zeit der Besinnung, aber auch ein hartes Geschäft - da fällt mir ein, ich muss schnell los und noch Weihnachtsschmuck für meinen neuen Baum kaufen.

(se)
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