Wohnsituation in Dormagen Hoher Bedarf an preiswertem Mietraum

Dormagen · Der Wohnraum ist in Dormagen knapp, Mietpreise oft unerschwinglich, viele sozial geförderte Wohnungen sind aus der Bindung gefallen. Die Stadt will mit strikteren Regeln eingreifen und die Situation verbessern.

Der soziale Wohnungsbau war Thema in einigen Reden der Fraktionsvorsitzenden zur Verabschiedung des Haushaltes vor zehn Tagen. Am deutlichsten sprach es Tim Wallraff von den Grünen an, der dieses als operatives Ziel für die Verwaltung verankert wissen wollte. „Der Mangel ist im Haushalt benannt und er ist groß: 35 Wohnungen sollen in 2019 vermittelt werden – bei einem Bedarf von 250.“ Die Wohnungskrise betrifft nicht nur die Großstädte und Metropolen, auch eine Etage tiefer ist er präsent, wenn immer mehr Menschen es nicht schaffen, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Der Erste Beigeordnete der Stadt, Robert Krumbein, nennt einen Bedarf von 2500 bis 2700 Wohnungen in Dormagen bis zum Jahr 2030. „Jährlich brauchen wir rund 250 neue Wohnungen.“ Die vom Rhein-Kreis Neuss in Auftrag gegebene Wohnungsbedarfsanalyse weist für Dormagen sogar einen Bedarf von 2751 zusätzlichen Wohneinheiten aus. Das scheint nicht machbar: Laut einer LBS-Studie sind im vergangenen Jahr in Dormagen lediglich 155 neue Wohnungen gebaut worden.

Der Mangel liegt im Schwerpunkt bei preiswertem Wohnraum und bei Sozialwohnungen. Zum 31. Oktober 2018 waren bei der städtischen Wohnungsabteilung 192 Haushalte gemeldet, die eine Sozialwohnung suchen. Die Stadt versucht erst gar nicht, die Situation zu beschönigen: „Insbesondere kleine Haushalte, die ein Apartment oder eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung suchen, und Familien mit mehr als drei Kindern, die eine Vier- oder eine Fünf-Zimmer-Wohnung suchen, haben auf dem hiesigen Wohnungsmarkt kaum Chancen“, sagt Krumbein. Die Verzweiflung ist groß, sogar im sozialen Netzwerk Facebook suchen viele nach einer Wohnung und machen ihrem Unmut über die Situation Luft. Absichtserklärungen gibt es reichlich. Zum Beispiel die, die der städtische Planungs- und Umweltausschuss im Februar 2016 in Form von strategischen Zielvorgaben für einen „sozialverträglichen Wohnungsbau“ formulierte: Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für junge Familien sowohl im Eigenheimsegment als auch im modernen Mietwohnungsbau. Und: Schaffung von gefördertem bzw. mietpreisgedämpftem Wohnraum für Einkommensschwächere.

Eine große Chance, dem Bedarf gerecht zu werden und eine größere Zahl an preiswerten Wohnungen anbieten zu können, wurde indes im großen Baugebiet IV verpasst. Sozialer Wohnungsbau? Fehlanzeige!

Künftig soll es anders und vor allem besser werden. Der Stadtrat verabschiedete (erneut) „strategische Grundsätze“, die bei der Schaffung von Wohnraum und bei der Vergabe von städtischen Grundsätzen zur Errichtung von Mehrfamilienhäusern, Mieteigenheimen und Reihenhäusern gelten sollen, wenn sie im geschlossenen Komplex an einen Investor verkauft werden sollen. Neu ist jetzt, dass es beim Verkauf Vermarktungskriterien geben wird. So werden der Verkaufspreis und gegebenenfalls der Anteil öffentlich geförderten und preisgedämpften Wohnraums festgelegt. Also: ein größerer Mix aus frei- und öffentlich finanziertem Wohnraum. Im Hinblick auf den erheblichen Bestandsrückgang an Sozialwohnungen (in den vergangenen fünf Jahren sind 470 Mietwohnungen aus der Sozialbindung gefallen) und den ermittelten Neubaubedarf soll der Fokus verstärkt auf die Realisierung preiswerten Wohnraums gelegt werden. 652 zusätzlich erforderliche Sozialwohnungen entsprechen nach Angaben der Stadt rund 24 Prozent des zusätzlichen Gesamtbedarfs und rund 39 Prozent der Wohnungen im Geschosswohnungsbau. Krumbein: „Rechnerisch müssten von 2019 bis 2030 pro Jahr rund 53 Sozialwohnungen entstehen.“ Er betont, dass die Stadt im Rahmen ihrer Steuerungsmöglichkeiten verstärkt darauf hinwirken, dass die Fördermittel für die Schaffung von Sozialwohnungen im Stadtgebiet in Anspruch genommen werden.

Das Wohnungsproblem in der Region spielt auch im Regionalplan unter dem Titel „Mehr Wohnbauland am Rhein“ eine Rolle. Es geht darum, anhand veränderter Kriterien mehr Wohnbaulandflächen zu generieren. Die Kommunen sollen Flächen anhand einer Matrix mit einem Punktesystem ermitteln. Danach sind vorteilhaft „einfache Eigentumsverhältnisse durch Zugriff der Stadt“, „eine sofortige, kurzfristige Verfügbarkeit“, „städtische Wohnhäuser mit Fokus auf Geschosswohnungsbau und guter ÖPNV-Anbindung“. Die Rede ist von mehr als 60 Wohneinheiten je Hektar, im Unterschied zur „großzügigen Eigenheimsiedlung“ mit 15 bis 25 Wohneinheiten. Anhand dieser Ergebnisse soll der Regionalplan ab Frühjahr angepasst werden.

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