Dormagen Größter Brand seit Jahrzehnten

Dormagen · Dormagen Auf dem Boden schlängelt sich ein Gewirr dicker Schläuche, mehrere große Löschfahrzeuge stehen bereit, Pumpen laufen. Vergleichsweise ruhig war es am Dienstag Mittag im Süden des Ineos-Werkes im Chempark.

 Die Berufsfeuerwehr Köln unterstützte unter anderem mit ihrem großen Einsatzleitwagen, einem Sattelschlepper, die Einsatzführung.

Die Berufsfeuerwehr Köln unterstützte unter anderem mit ihrem großen Einsatzleitwagen, einem Sattelschlepper, die Einsatzführung.

Foto: NGZ

Dormagen Auf dem Boden schlängelt sich ein Gewirr dicker Schläuche, mehrere große Löschfahrzeuge stehen bereit, Pumpen laufen. Vergleichsweise ruhig war es am Dienstag Mittag im Süden des Ineos-Werkes im Chempark.

 Mit Wasserschleiern sollte am Tank, der am Montag gebrannt hatte (rechts), der Austritt von Dämpfen vermieden werden. In den Morgenstunden hatten Messwagen erhöhte Werte für Acrylnitril in Worringen gemessen.

Mit Wasserschleiern sollte am Tank, der am Montag gebrannt hatte (rechts), der Austritt von Dämpfen vermieden werden. In den Morgenstunden hatten Messwagen erhöhte Werte für Acrylnitril in Worringen gemessen.

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Bis in die Nacht zu am Dienstag hatten dort hunderte Feuerwehrleute gegen die Flammen gekämpft. Am Montag um 14.30 Uhr hatte sich aus einem Leck einer von Antwerpen bis Marl laufenden Ethylen-Leitung Gas entzündet. Turmhoch schlugen die Flammen, der Lichterschein war viele Kilometer weit zu sehen. Der Brand griff auf einen Tank mit Acrylnitril über.

Dormagen: Größter Brand seit Jahrzehnten
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Mit einer Materialschlacht konnten die Wehren dem Feuer Einhalt gebieten. "Im Werk waren 600 Helfer, außerhalb weitere 600 im Einsatz. Vom Brand war das Feuer im Ford-Ersatzteillager 1977 größer, doch von der Zahl der Einsatzkräfte war dies für die Kölner Wehr der größte Brandeinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg", macht Stephan Neuhoff, Direktor der Berufsfeuerwehr Köln, die Dimension deutlich.

Und der Einsatz geht weiter - nicht nur im Werk. Am Dienstag in den Morgenstunden, nachdem das Feuer schon aus war, hatten die Messfahrzeuge an drei Orten in Worringen - am Tor neun, am Parallelweg und am Hackhauser Weg/Widdeshover Weg, erhöhte Konzentrationen des giftigen Stoffs Acrylnitril festgestellt. "Die Werte für die maximale Arbeitsplatz-Konzentration, in der sich Arbeiter über längere Zeit aufhalten können, wurden in Einzelfällen erreicht oder geringfügig überschritten", erklärt Dr. Hans Hagen, Einsatzleiter bei der Werkfeuerwehr. "Die Werte liegen im Toleranzbereich, aber der Stoff gehört natürlich da nicht hin. Wir halten zur Vorsicht unsere Schutzmaßnahmen aufrecht", ergänzt Dr. Ulrich Ochs, Leiter des medizinischen Dienstes.

Die Worringer wurden am Dienstag aufgefordert, sich nicht im Freien aufzuhalten, Türen und Fenster geschlossen zu halten. Am Montag hatten sich zwei Menschen mit Beschwerden gemeldet. "Bei der Blutuntersuchung fanden wir keine stoffliche Belastung. Wer Zweifel hat, etwa weil er unter Augentränen, Atemwegirritationen, Hautrötung oder Übelkeit leidet, kann sich wegen einer Blutuntersuchung an den Arzt oder an unsere Poliklinik wenden", so Dr. Ochs morgens.

Am Dienstag Abend wurden die Sicherheitsmaßnahmen aufgrund weiterer Messergebnisse aufgehoben - allerdings waren in der Nacht drei Messwagen zur Vorsicht weiter im Einsatz. Der Wind hatte die Rauchwolke Richtung Köln getrieben, "die Dormagener sind nicht betroffen", betont Dr. Patrick Giefers, Geschäftsführer von Ineos Köln, der die Unannehmlichkeiten für die Anwohner bedauerte.

An der Einsatzstelle hatte die Feuerwehr am Montag Abend das Gas aus der Ethylen-Leitung kontrolliert abbrennen lassen, der brennende Tank und die Nachbartanks wurden mit Wasser gekühlt. Zugleich bereiteten die Wehren einen massiven Schaumeinsatz in der Nacht vor - eine logistische Herausforderung: "Wir haben über zwei Kilometer eine Schlauchleitung vom Rhein gelegt. Insgesamt wurden in der Minute bis zu 55 000 Liter Wasser gepumpt, das entspricht der Leistung von rund 35 Löschfahrzeugen", erläutert Neuhoff. Spezialpumpen und zwei Löschboote auf dem Rhein förderten Wasser, sogar zwei Flughafenlöschfahrzeuge aus Düsseldorf und Köln/Bonn kamen zum Einsatz. Ab 23.30 Uhr legten vier Spezialwerfer einen Schaumteppich, 20 Minuten später waren die Flammen erstickt. "Eine außerordentliche Leistung", zieht Dr. Hagen Bilanz. Ab drei Uhr konnten viele Kräfte abrücken. Die A 57 und die S-Bahn-Strecke, beide waren beim Brand gesperrt worden, wurden wieder freigegeben.

Am Dienstag Morgen traten Dämpfe aus dem nun nach oben offenen Tank, die zu den erhöhten Werten führten: Die Feuerwehr legte Wasserschleier, um die Dämpfe zu binden. Auch Mittwoch Nacht waren die Wehren am Ort: "Wir haben im Tank einen meterdicken Schaumteppich gelegt, um ein Ausgasen zu verhindern", erklärt Lars Friedrich. Der Leiter der Werkfeuerwehr im Chempark Krefeld hatte als Einsatzleiter seinen Kollegen abgelöst. "Wir halten in der Nacht den Schaumteppich konstant. Morgen wollen wir den Tank leer pumpen."

Gerüchten, dass kontaminiertes Wasser in den Rhein und ins Grundwasser floss, tritt Ineos entgegen: "Die größte Menge des genutzen Wassers diente zum Kühlen. Das kontaminierte Wasser wird in Auffangbecken gesammelt und aufbereitet, etwa in den Kläranlagen am Werksstandort gereinigt", sagt Standortsprecher Christian Zöller. Zur Schadenshöhe und Unfallursache konnte Dr. Giefers keine Angaben machen, die Pipeline ist weiter abgesperrt. "Unsere Anlagen haben die Produktion in dem Umfang wieder aufgenommen, in dem Ethylen im Werk selbst gebraucht wird." Die Leitung sei zwar rund 30 Jahre alt aber "runderneuert" und kürzlich überprüft worden.

"Die Kriminalpolizei kam heute noch nicht an den Brandherd heran. Wir haben noch keine Hinweise, ob es sich um eine vorsätzliche Straftat, fahrlässiges Handeln oder einen technischen Defekt handelt" so der Kölner Polizeisprecher Gilles zum Stand der Ermittlungen.

(NGZ)
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