Dormagen Für das Sterben in Würde

Dormagen · Der Internist Udo Kratel engagiert sich seit 1993 für die Dormagener Hospizbewegung, seit 2008 auch für das Ambulante Palliativzentrum. Trotz anfänglicher Skepsis ist beides heute gut angesehen und sehr erfolgreich.

 Dr. Udo Kratel ist einer von vier Ärzten des Ambulanten Palliativzentrums. Während seiner Rufbereitschaft ist er rund um die Uhr für schwerstkranke Patienten, die zu Hause gepflegt werden, und deren Angehörige da.

Dr. Udo Kratel ist einer von vier Ärzten des Ambulanten Palliativzentrums. Während seiner Rufbereitschaft ist er rund um die Uhr für schwerstkranke Patienten, die zu Hause gepflegt werden, und deren Angehörige da.

Foto: Hans Jazyk

Es ist wohl einer der schwersten Momente im Leben eines Menschen, wenn er von seinen Ärzten erfährt, dass er unheilbar krank ist. Wie soll es weitergehen? Statistisch ist es wahrscheinlich (70 Prozent), dass der Patient im Krankenhaus stirbt. Nur 30 Prozent der Menschen sterben zu Hause.

Dass sich dies zumindest in Dormagen geändert hat, dafür sind unter anderem das Netzwerk Palliativmedizin und die Hospizbewegung verantwortlich. "Heute sterben hier nur noch zehn Prozent der Patienten im Krankenhaus", weiß Internist und Palliativmediziner Udo Kratel. Das Netzwerk aus Medizinern, Therapeuten, Seelsorgern und einem Apotheker unterstützt seit 2007 Familien, ihre Schwerstkranken zu Hause zu pflegen. Seit gut zwei Jahren laufen alle Fäden im Ambulanten Palliativzentrum zusammen. Dies hat die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein im vergangenen Jahr sogar mit dem Innovationspreis gewürdigt. "Der Erfolg unserer Arbeit hat mich selbstbewusster gemacht", erzählt Kratel. "Mittlerweile verhandele ich selbstbewusster mit Krankenkassen und sonstigen Behörden."

Der Mediziner erinnert sich: "Als Klinikarzt habe ich Anfang der 90er Jahre die Defizite in der Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden und beim Umgang mit deren Angehörigen genau gesehen." Da war dem 52-Jährigen klar, dass sich etwas ändern muss: Gemeinsam mit Krankenhausmitarbeitern und Pfarrern gründete er 1993 die Hospizbewegung Dormagen. Auch um den Hospizgedanken – das betreute Sterben im eigenen Zuhause – zu verbreiten. "Damals war völlig akzeptiert, dass man eben im Krankenhaus stirbt", sagt Kratel. Die Bevölkerung wusste gar nicht, was die Hospizbewegung eigentlich macht. Und auch Kollegen standen dem zunächst skeptisch gegenüber.

Viel Überzeugungsarbeit und knapp 20 Jahre später ist das völlig anders: "Palliativmedizin ist akzeptiert." "Unsere Arbeit findet im Stillen, in den Familien statt", sagt Kratel. Um ihre positive Wirkung dennoch öffentlich zu machen, finden zum Beispiel die Hospizkonzerte statt: "Über Musik lässt sich der Hospizgedanke besonders gut transportieren." Dass Kratel richtig liegt, zeigt das Interesse daran: Mehr als 1000 Karten für die drei "Voices for Hospices"-Konzerte, bei denen am kommenden Wochenende der Hackenbroicher Chor "Da Capo" singt, wurden innerhalb von sechs Tagen verkauft.

Seine persönliche Erfahrung mit dem Tod? "Vor 20 Jahren musste ich meinen eineinhalb Jahre alten Sohn wiederbeleben, nachdem er fast ertrunken war." Da denke man dann schon mal über den Tod nach. Er glaubt, dass die Palliativmedizin Zukunft hat: "Diese Bewegung ist nicht mehr aufzuhalten."

(NGZ)
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