Straftäter-Projekt im Raphaelshaus Flucht aus Vollzug: Dormagener verunsichert

Dormagen · Zwei jugendliche Intensivtäter sind vor gut einem Monat aus dem offenen Vollzug in Dormagen geflohen. Das bestätigte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Justizministeriums am Donnerstag. Die Menschen in Dormagen reagieren mit gemischten Gefühlen.

 Das Projekt "Jugendvollzug in freien Formen" im Dormagener Raphaelshaus war erst am 1. August gestartet.

Das Projekt "Jugendvollzug in freien Formen" im Dormagener Raphaelshaus war erst am 1. August gestartet.

Foto: Berns, Lothar

Die beiden 17 Jahre alten Jungen waren im Projekt "Jugendvollzug in freien Formen" im Dormagener Raphaelshaus untergebracht. Ein 16-jähriger Jugendlicher, der ebenfalls weggelaufen war, sei nach wenigen Tagen wieder gefasst worden.

Die beiden 17-Jährigen waren zu Haftstrafen von vier Jahren und zwei Monaten sowie eineinhalb Jahren verurteilt worden. Einen Großteil der Strafen hatten sie nach Angaben des Sprechers in einer regulären Jugendhaftanstalt abgesessen.

Am 1. August waren sie in das gerade gestartete Projekt in Dormagen verlegt worden. Dort gibt es keine Zäune. Die Einrichtung geht nach Angaben des Justizministeriums auf die Vorschläge einer Enquete-Kommission des Landtags zur Reform des Jugendvollzugs zurück.

Mit gemischten Gefühlen nahm man die Nachricht von den entflohenen Jugendlichen im Schulzentrum Dormagen auf, das nicht weit vom Raphaelshaus liegt. "Wir sind sehr wachsam und halten den Schulhof, die Bushaltestellen sowie unseren Parkplatz besonders im Blick", sagt Bettina Mazurek. Die Schulleiterin der Städtischen Realschule Dormagen erwartet keine direkte Gefahr für ihre Schüler, geht jedoch sensibel mit der aktuellen Situation um. "Wir sprechen schulfremde Kinder und Jugendliche an, werden jedoch keine besondere Warnung an unsere Schüler herausgeben", erläutert sie. Panik sei auch der falsche Weg. "Wenn eine akute Gefahr von den Jugendlichen ausgeht, erwarte ich eine direkte Information der Polizei", ergänzt Mazurek.

Auch Klaus Krützen, Schulleiter der Hermann-Gmeiner-Schule setzt auf direkte Ansprache schulfremder Personen. "Wir haben ein sehr offenes Schulgelände. Dennoch erkennt man schulfremde Kinder und Jugendliche sehr schnell", sagt er. Das Lehrerkollegium des benachbarten Bettina-von-Arnim-Gymnasiums wolle nach den Worten des stellvertretenden Schulleiters Thomas Vatheuer noch beratschlagen, wie es mit der Situation umgehe.

Der Dormagener Bürgermeister Peter-Olaf Hoffmann betonte indes die "ausgesprochen gute Erfahrungen", die die Stadt Dormagen und die Bürger mit dem Raphaelshaus bisher gemacht hätten. "In dieser Vorzeigeeinrichtung wird den Jugendlichen viel Vertrauen entgegengebracht, das dann leider in diesem Falle ausgenutzt wurde, das ist bedauerlich." Der Bürgermeister sieht durch die entflohenen Intensivtäter keine Gefahr für Dormagen: "Ich mache mir keine Sorgen, und man sollte der Bevölkerung auch keine Sorgen einreden", sagte Hoffmann.

Er weist auf die große Erfolgsquote des Jugendhilfezentrums hin, in dem traumatisierten Kindern aus schwierigen Verhältnissen ein neuer Lebensweg bereitet werde.

Um das Modellprojekt des Justizministeriums, in dem die 14- bis 16-Jährigen einen geregelten Tagesablauf kennenlernen sollten, war bei seinem Start Anfang August eine Debatte entbrannt. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach, stellte sich gegen das Projekt: Für die CDU stehe außer Frage, dass der Vollzug einer Freiheitsstrafe auch Sanktionscharakter haben müsse. Der Dormagener CDU-Fraktionsvorsitzende Wiljo Wimmer bekräftigte indes, Jugendstrafrecht habe einen erzieherischen Auftrag. Im Raphaelshaus werde sehr gute pädagogische Arbeit geleistet. "Mit frühzeitigem Einwirken steigen die Chancen auf geringere Rückfallquote", so Wimmer.

(lnw)
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