Dormagen Dormagenerin forscht über NS-Opfer

Dormagen · Für vier der 39 Stolpersteine in Dormagen hat Nadja Jungbeck die Patenschaft übernommen, forscht über das Leben der Familie Katz. Mit ihrem Mann trägt sie morgen "Die Moorsoldaten" bei der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht vor.

Im Dormagener Stadtgebiet gibt es 39 Stolpersteine, mit denen allen bisher bekannten Opfers des NS-Terrors gedacht wird. Vier dieser 39 vom Künstler Gunter Demnig verlegten Steine, die an die Vertreibung der Familie Katz vor ihrem Haus an der Krefelder Straße 20 erinnern, stehen unter dem Schutz von Nadja Jungbeck. Die 24 Jahre alte Dormagenerin ist Stolperstein-Patin und sieht darin nicht nur eine Pflicht, die Mahntafeln regelmäßig zu überprüfen, sondern vor allem auch die Aufgabe, weiter über das Leben der Familie Katz zu forschen. "Ich möchte mithelfen, die Erinnerung an die NS-Opfer wachzuhalten", sagt Nadja Jungbeck.

Wenn morgen ab 18 Uhr bei der Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof an der Krefelder Straße der Opfer des NS-Terrors gedacht wird, ist auch Nadja Jungbeck wieder dabei. Gemeinsam mit ihrem Mann Sven Jungbeck sorgt sie für die musikalische Umrahmung mit "Shalom" und dem Lied "Die Moorsoldaten". Bei der vom Partnerschaftsverein Dormagen—Kiryat Ono und dem städtischen Kulturbüro organisierten Feier sprechen Schüler der beiden Dormagener Realschulen am Sportpark und Hackenbroich, außerdem Bürgermeister Peter-Olaf Hoffmann und Heinz Tenhafen, langjähriger Pfarrer in Dormagen und Ehrenvorsitzender des Partnerschaftsvereins. "Die Stolpersteine geben den Opfern, die zu bloßen Nummern degradiert wurden, ihre Namen zurück", hatte Heinz Tenhafen vor vier Wochen bei seiner Ansprache vor dem Stadtrat betont, nachdem die Stolperstein-Stele des Partnerschaftsvereins Dormagen—Kiryat Ono hinter dem Rathaus enthüllt worden war. Auf ihr sind die Standorte aller Stolpersteine verzeichnet.

Schon als Schülerin des Leibniz-Gymnasiums hat sich Nadja Soldin, wie sie vor ihrer Heirat hieß, für das Stolperstein-Projekt engagiert, das ihr nicht nur im Unterricht am Herzen lag, wie sie jetzt berichtet: "Es hat Spaß gemacht, seit der Mittelstufe weiter zu forschen und die einzelnen Schicksale ans Licht zu bringen." Vor allem die Unterstützung des Kulturbüros und dessen Leiters Olaf Moll sowie des Partnerschaftsvereins ist ihr noch gut in Erinnerung: "Alle Beteiligten haben uns Schüler sehr ernst genommen, das war eine tolle Erfahrung", sagt die 24-Jährige, die inzwischen als ausgebildete Erzieherin in der Gruppenpädagogik des Jugendhilfezentrums Raphaelshaus arbeitet. "Auch dort gibt es einen Stolperstein, so dass ich den Kindern das Projekt nahebringen kann", sagt Jungbeck, die sich gern in Erlebnispädagogik weiterbilden möchte. In ihrer Freizeit treibt sie gern Sport, klettert gern und ist am liebsten in der Natur.

Zunächst war Nadja Jungbeck gemeinsam mit einer Mitschülerin Patin für den Stolperstein von Bernhard Katz. Der Dormagener Jude stellte sich öffentlich gegen das Naziregime und war — laut einem Haftbefehl gegen ihn — "der Drahtzieher der Juden in Dormagen gegen das System". Das hatte Konsequenzen: Katz wurde inhaftiert, wieder freigelassen, musste umziehen, bekam Anzeigen. Das alles erforschte die Dormagenerin in Archiven. Am 27. November 1938 emigrierte Katz nach Südamerika. Vor seinem letzten Wohnort, der früheren Neusser Straße, an der Krefelder Straße 20 wurde der erste Stolperstein — eine zehn Zentimeter große Gedenktafel aus Messing — in den Gehweg eingelassen. Im Mai 2010 kamen noch drei Stolpersteine für Katz' Frau Luise und die Kinder Eva und Hermann Albert hinzu. "Was aus ihnen wurde, war unbekannt", sagt Nadja Jungbeck, die weiterrecherchierte und den Hinweis in einer Datenbank fand, dass die Familie komplett nach Chile emigriert und dort 1974 in Santiago gemeldet war.

Da die für die Erforschung der NS-Zeit stark engagierte Lehrerin Vera Strobl mit Hilfe der Familie Pascheck-Dahl nun Verwandte in Chile ausfindig gemacht hat, hofft Nadja Jungbeck auf neue Erkenntnisse zur Familie Katz.

(NGZ)
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