Dormagen Dormagener Modell wegweisend

Dormagen · Der Soziologe und Professor für Kinder- und Jugendhilfe der Basler Hochschule, Kay Biesel, hat ein Buch unter dem Titel "Wenn Jugendämter scheitern" geschrieben. Großes Lob gibt es für das Dormagenener Kinderschutz-Modell.

Gerade war es der Familienminister des Landes Brandenburg, Günter Baaske, der sich im Rathaus das "Dormagener Modell" erklären ließ. Jetzt liegt auf 336 Seiten ein schriftliches Loblied druckfrisch vor: Der Soziologe und Professor am Institut für Kinder- und Jugendhilfe der Basler Hochschule für Soziale Arbeit, Kay Biesel, hat sich für sein Buch "Wenn Jugendämter scheitern" mit der Fehlerkultur in Jugendämtern beschäftigt. Dazu suchte er sich zwei Pole aus: die Jugendämter in Schwerin und in Dormagen. Ergebnis: "Dormagen ist der Wegweiser aus dem akuten, massiven Dilemma eines oft nicht störungsfreien Kinderschutzes."

Warum dieses beiden Städte? Das Schweriner Jugendamt geriet 2007 mit dem Fall der fünfjährigen Lea-Sophie in die Schlagzeilen, die in ihrem Elternhaus verhungerte; Dormagen gilt mit seinem "Dormagener Modell" bundesweit als vorbildlich. Buchautor Biesel war 2008 rund zwei Wochen lang in beiden Jugendämtern unterwegs und führte dort viele Gespräche und Interviews mit Führungs- und Fachkräften sowie Klienten. Seinen Eindruck formulierte er gestern gegenüber unserer Zeitung so: "Die Mitarbeiter im Dormagener Jugendamt haben eine gemeinsame Vision und Vorstellung von dem, was sie machen und erreichen wollen. Das gab es in Schwerin so nicht." Und noch eines ist ihm besonders aufgefallen: "In Dormagen scheint es eine positive politische Lobby für Jugendarbeit zu geben. Die Entwicklung der Fachkräfte ist hier ausgeprägt, unabhängig von politischen Wahlen."

Die Arbeit von Jugendämtern ist seit den Fällen von Kevin (2006 in Bremen), Lea-Sophie sowie Chantal, die im Januar in Hamburg an Ersatzdrogen starb, im Fokus der Öffentlichkeit. Fall- und Zeitdruck, zu wenig Personal und Geld, zu wenig Wertschätzung der Arbeit — die Probleme sind mannigfaltig. Biesel: "Dormagen ist gut darin, die vorhandenen Ressoucen klug zu nutzen", sagt er. "Dort habe ich einen strategisch guten Mitteleinsatz erlebt." Fakt ist: Dormagen hat bei den Hilfen zur Erziehung den geringsten Mitteleinsatz in NRW. Die Reflexion über Fehler kann verbessert werden, "wie in allen anderen Jugendämtern auch". In den vergangenen Jahren hat das Jugendamt in Schwerin durch eine "konsequente Analyse und Aufarbeitung des ,Falls Lea Sophie' mögliche Schwachstellen herausgearbeitet und eine Reihe von personellen, technischen und organisatorischen Maßnahmen ergriffen. Die Zusammenarbeit auch mit Kay Biesel ist für uns sehr lehr- und aufschlussreich, denn sie dauert bis zum heutigen Tage an."

Heinz Hilgers, in dessen Zeit als Bürgermeister das Modell in Dormagen entwickelt wurde, wundert sich nicht: "Die Mitarbeiter haben eine wertschätzende Haltung gegenüber ihren Klienten. Denn es geht in erster Linie um die Philosophie des Modells, das Menschenbild, das dahinter steht, nicht um dessen Struktur."

Info Kay Biesel: Wenn Jugendämter scheitern. Zum Umgang mit Fehlern im Kinderschutz. Transcript-Verlag, Berlin 2011. 336 Seiten, 32,80 Euro

(NGZ)
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