Dormagen Dormagener Modell ist bundesweit einzigartig

Dormagen · Der Kinderschutz ist in Dormagen besonders gut entwickelt. Von der Geburt bis zum Beginn der Ausbildung gibt es Hilfestellungen.

Kay Biesel muss es wissen. Als Professor für Kinder- und Jugendhilfe weiß der Schweizer, wovon er spricht bzw. worüber er schreibt. In seinem 2011 erschienenen Buch "Wenn Jugendämter scheitern" findet er nur lobende Worte für das Amt in Dormagen: "Dormagen ist der Wegweiser aus dem akuten, massiven Dilemma eines oft nicht störungsfreien Kinderschutzes."

Die Grundlage für diese gute Beurteilung ist das so genannte Dormagener Modell. Das wurde 2006 unter Federführung des damaligen Bürgermeisters und Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes Heinz Hilgers entwickelt. Dabei handelt es sich in der ursprünglichen Form um ein Projekt zur Prävention von Gewalt in der Familie und von Kindesmissbrauch. Dieses Modell sorgte in den vergangenen Jahren bundesweit für Aufsehen und wurde beispielgebend für viele andere Kommunen. Auch das Bundesfamilienministerium wurde auf dieses Projekt aufmerksam. Rathaus-Vertreter sind gefragte Referenten. Inzwischen ist das "Dormagener Modell" weiter entwickelt worden und hat im Rahmen des "Netzwerks für Familien" (NEFF) auch Heranwachsende in den Fokus genommen, die beim Übergang in die Ausbildung begleitet werden.

Innerhalb des Dormagener Modells wurde das Modul "Willkommen im Leben" initiiert. Mit einem "Baby-Begrüßungspaket" unter dem Arm gratulieren Mitarbeiter des Jugendamtes kurz nach der Geburt den neuen Eltern. Neben den wichtigen Mitbringseln wie Elternbegleitbuch, Rauchmelder, Märchenbuch und etliche Gutscheine ist ein wichtiger Aspekt, dass das Jugendamt einen Eindruck bekommt, ob die Familie womöglich Hilfe benötigt. Das kann die Vermittlung einer Tagesbetreuung oder auch Hilfen beim Ausfüllen von Anträgen sein. In Zahlen ausgedrückt: " Bei den ersten 500 Hausbesuchen nach Einführung ergaben sich bei knapp hundert Familien intensivere Beratungsgespräche, und bei knapp 40 Familien wurden reale Hilfen vermittelt oder eingerichtet. "Wir gehen davon aus, dass als ,Nebeneffekt' dieser Hausbesuche", sagt Dezernent Gerd Trzeszkowski, "auch die Gefahr von Kindesmisshandlungen und -vernachlässigung gemindert wird."

Im Netzwerk für Familien, NEFF I, ist beispielsweise die enge Zusammenarbeit mit Hebammen ein wichtiges Element. "Viele von ihnen bilden sich für Familien-Hebamme fort", sagt Trzeszkowski, "um auch bei nicht-medizinischen Problemen helfen zu können." Im Jahr 2012 wurde "NEFF II" mit dem Projekt "Kein Kind zurücklassen" entwickelt. Die Zielgruppe der Kinder wird darin bis zum Abschluss der Sekundarstufe I erweitert. Inzwischen gibt es mit dem "Dormagener Weg" einen weiteren Baustein. In ihm soll die – bei Bedarf – kontinuierliche Begleitung eines Kindes über die Sekundarstufe hinaus in die Ausbildung sicher gestellt werden. Dafür arbeitet die Stadt mit Kooperationspartnern wie Jobcenter, Kreishandwerkerschaft und anderen zusammen. Damit wird die Begleitung von der Geburt bis zu den Anfängen des Berufslebens erreicht. Der Ertrag für die Stadt? "Die Ausgaben für die ,Hilfen zur Erziehung' sind geringer als in anderen Städten", so der Dezernent.

(NGZ)
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