Interview mit dem Stadteltern-Vorsitzenden Dormagen „Jedes dritte Kind sitzt in maroden Schulen“

Der Vorsitzende der Stadteltern spricht über das ÖPP, Kameras an Schulen – und ob früher alles besser war.

Herr Niehues, das ÖPP-Projekt steht auf der Kippe. Haben Sie noch Hoffnung?

Niehues Hoffnung ist ein schwieriger Begriff. Wir waren am Anfang nicht überzeugt vom ÖPP-Projekt. Wenn zusätzliche Akteure dazu kommen, wollen die auch Geld verdienen. Ich habe vor langer Zeit dafür plädiert, das Schulzentrum Hackenbroich abzureißen und neu zu bauen. Die Schulen in Dormagen sind in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand, das wird alles viel Geld kosten, und die Zahlen sind ehrlich gesagt erschreckend. Als das Projekt vorgestellt wurde, war meine Befürchtung, die Kosten werden am Ende viel höher sein. Jetzt habe ich den Eindruck, dass wohl wenig bis gar nichts passieren wird und das Projekt scheitert.

Wie ginge es dann weiter?

Niehues Wir haben mit den Schulgremien diskutiert, wie die Schulen in 20 oder 30 Jahren aussehen sollen. Da kamen eine ganze Menge Vorschläge auf. Es fehlen vor allem Räume. Räume für Beratungen, für Besprechungen, für Differenzierungen, Kantinen und Mensen. Meine Befürchtung ist, einzelne Maßnahmen, die erarbeitet wurden, werden einfach vom Tisch fallen, weil kein Geld da ist.

Es geht um 160 Millionen Euro, mindestens.

Niehues Das wird noch mehr werden. Da reden wir nicht über fünf Jahre. Viele Gebäude sind in den 70ern gebaut. Da ist einiges zu tun. Ich gehe davon aus, dass heute jedes dritte KInd in Dormagen in einem maroden Gebäude unterrichtet wird.

Sie haben den Schulen in Dormagen vor einigen Jahren die Note 2+ gegeben. Hat das noch Bestand?

Niehues Die Schulen funktionieren als System. Wir haben überall ziemlich gute Schulleitungen und Lehrer. Auch die Schullandschaft ist breit aufgestellt. Schwierig ist die finanzielle Situation. Viele Schulen sind marode, weil jahrelang nichts gemacht wurde. Aber das ist in anderen Kommunen auch nicht besser.

Sollten die Eltern da nicht viel mehr Druck machen?

Niehues Ja. Jeder, der Elternarbeit macht, wird irgendwann feststellen, dass es immer dieselben wenigen sind, die sich engagieren. Eltern von Grundschülern sind dann auch Jahre später noch dabei, wenn die Kinder vor dem Abitur stehen. Wir haben Nachwuchssorgen, weil kaum jemand Zeit und Lust hat, sich für unsere Sache einzusetzen.

Merkwürdig, wenn man bedenkt, dass sich Eltern doch heute viel mehr in die Schulen einmischen.

Niehues Ist das so? Es gibt immer mehr, die meckern, ja. Ob sich jemand dann auch konstruktiv einbringt, ist eine ganz andere Frage. Das ist noch viel Luft nach oben.

Die Stadt plant, in drei Schulen so genannte Mischküchen zu eröffnen, die das Mittagessen an umliegende Schulen liefern. Ist das sinnvoll?

Niehues Ich habe die ganze Diskussion nicht verstanden. In jeder Sitzung wurden immer plötzlich andere Vorschläge ausgepackt. Ich sehe die Gefahr, dass irgendwann ein Großcaterer auf industrieller Basis alle Schulen versorgt. Ich halte es für sinnvoller, an den Schulen selbst zu kochen, statt das Essen hin und her zu karren.

Immer wieder wird in Schulen eingebrochen, zuletzt im Berufsbildungszentrum und in Hackenbroich. Die Stadt will jetzt die Schulen mit Kameras ausrüsten. Eine gute Idee?

Niehues  Einbrüche gibt es ständig, ja. Ich habe an der Regenbogenschule schon Jugendliche aufgehalten, die über das Tor klettern wollten. Dort wurde auch während der Schulkonferenz eingebrochen. Für die Abend- und Nachtzeit könnte eine Videoüberwachung also durchaus sinnvoll sein. Während der Schulzeit darf das aber auf keinen Fall passieren.

War früher alles besser?

Niehues Nein, schlimmer. Als meine Tochter 2003 eingeschult wurde, haben sich die Schüler im Leibniz-Gymnasium kaum getraut, auf die Toilette zu gehen. Später wurden die Räume dann saniert. In vielen Schulen ist die bauliche Situation besser geworden. Und damit das so weitergeht, müssen sich Menschen dafür einsetzen.

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