Dormagen Berührend: „Das Herz wird nicht dement“

DELHOVEN · Die Ausstellung „Mensch.Demenz.Kirche.“ in Delhoven wird am Sonntag mit einem Gottesdienst in St. Josef eröffnet.

 Sozialpädagogin Birgit Linz-Radermachervor einer der 19 Staffeleien in St. Josef mit Fotos zum Thema Demenz.

Sozialpädagogin Birgit Linz-Radermachervor einer der 19 Staffeleien in St. Josef mit Fotos zum Thema Demenz.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Die alte Frau mit der blauen Jacke sitzt auf einem Stuhl. In ihren Armen hält sie eine Puppe. Mit großen Augen schaut sie den Betrachter direkt an. Auf anderen Farbfotos sieht man ein schickes Paar tanzen oder zwei Männer, die auf einem roten Tandem fahren. In der katholischen Kirche St. Josef in Delhoven stehen 19 Staffeleien. Auf beiden Seiten der Holzgestelle hängen Rahmen im Format 74 mal 94 Zentimeter mit Bildern und Texten. Die Wanderausstellung „Mensch.Demenz.Kirche.“, die von der Altenpastoral des Erzbistums Köln entwickelt wurde, ist jetzt erstmalig in Dormagen zu sehen.

„Demenz ist ein Thema, das alle angeht. Die meisten von uns haben Familienangehörige, die von dieser Krankheit betroffen sind“, sagt Birgit Linz-Radermacher. Die 58-jährige Sozialpädagogin kennt die Problematik aus einer haupt- und einer ehrenamtlichen Perspektive. Linz-Radermacher arbeitet in der Tagespflege des Seniorenheims St. Augustinushaus an der Krefelder Straße. Zu ihren Aufgaben gehören religiöse Angebote für Bewohner und Angehörige. Sie absolvierte eine Weiterbildung zur „Begleiterin in der Seelsorge“ und schrieb ein Buch mit Andachten für Senioren. „Viele demente Menschen haben spirituelle Bedürfnisse, aber häufig ziehen sie sich mit ihren Angehörigen aus dem Pfarreileben zurück“, hat Linz-Radermacher festgestellt.

Sie gehört der ehrenamtlichen Projektgruppe „Demenzsensible Gemeinde“ an, die vom Pfarrgemeinderat des Seelsorgebereichs Dormagen-Nord initiiert wurde. Als erste Aktion holte die Gruppe die Demenz-Ausstellung nach Delhoven, wo sie an diesem Sonntag, 2. September, mit einem Gottesdienst in St. Josef eröffnet wird, der um um 11 Uhr beginnt.

Die Ausstellung beinhaltet sechs Themen: Bewegung, Suche, Dialog, berührt, versunken und verloren. „Die ausdrucksstarken Bilder und spirituellen Texte sollen zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit der Krankheit anregen. Ihre Eindrücke können die Besucher auf eine Tafel schreiben und so mit anderen teilen“, sagt Linz-Radermacher.

Beim Umgang mit dementen Menschen versuche man, die unterschiedlichen Sinne anzusprechen und Gefühle zu aktivieren, „denn das Herz wird nicht dement“, so die Sozialpädagogin. Predigtgespräch, Weihrauch, alte Kirchenlieder – ein spezieller Gottesdienst für Demente soll in der Adventszeit stattfinden und alte Erinnerungen wieder zum Vorschein bringen. Zugleich erleben die Angehörigen die Messe als eine Art Ruhepol und erfahren dabei, dass sie von Mitchristen unterstützt werden. „Die erkrankte Mutter darf sich verhalten wie sie mag, ohne dass der Banknachbar genervt die Augen verdreht“, betont die Seelsorgerin.

Eine weitere Idee der Projektgruppe „Demenzsensible Gemeinde“ ist die Schulung des Kranken- und Besuchsdienstes der Pfarrei. „Wenn die Gratulanten besser über die Symptome informiert sind, können sie verständnisvoller reagieren, wenn der Besuchte zum Beispiel hartnäckig behauptet, dass er heute gar keinen Geburtstag hat“, meint Birgit Linz-Radermacher.

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