Dormagen Die Delrather Zinkhütte

Dormagen · Derzeit wird über Industrieflächen am Silbersee diskutiert. Für Delrath würde sich damit ein Kreis schließen. Bis 1971 produzierte die Zinkhütte an gleicher Stelle. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Fabrik erinnert sich.

 Hart schuften mussten die Arbeiter der Zinkhütte, um Hüttenrohzink und Schwefelsäure zu gewinnen.

Hart schuften mussten die Arbeiter der Zinkhütte, um Hüttenrohzink und Schwefelsäure zu gewinnen.

Foto: privat

Wenn die Dämpfe aus den Schornsteinen der Zinkhütte quollen, schlossen die Anwohner ihre Fenster und holten die Wäsche rein. Der Gestank war beißend, das Atmen fiel schwer. Lambert Cremer (73) sitzt in seinem Haus an der Ackerstraße und erinnert sich: "Schlimm war das manchmal." Von 1954 bis 1959 arbeitete der 72-Jährige als Mess- und Regeltechniker in der "Hött", wohnte in einer der Werksunterkünfte — und denkt dennoch gerne an diese Zeit zurück, die für ihn von Freundschaft und Zusammenhalt geprägt war.

Die Geburtsstunde der Fabrik indes fiel auf das Jahr 1911. Damals hatte die Rheinisch-Nassauische Bergwerks- und Hütten AG auf der Delrather Heide Zinkhütte und Schwefelsäurefabrik errichtet, 1922 schließlich an die Aktiengesellschaft für Bergbau, Blei- und Zinkfabrikation zu Stollberg und in Westfalen verpachtet.

Es gab Zinkhütter und Delrather

"550 bis 600 Mitarbeiter arbeiteten damals in der Fabrik, am Ende waren es noch 150", erinnert sich Cremer. Erzeugt wurden Hüttenrohzink und Zinkstaub, als Abfallprodukt fiel Schwefelsäure an. Lambert Cremer, der auch Jugendvertreter im Betriebsrat war, überwachte die Temperaturen in der Anlage. Beschäftigt waren in der Hütte neben den Zinkschmelzern Elektriker, Schreiner, Schlosser, Bleilöter und Sattler. "Die Öfen", so Cremer, "wurden damals selbst gebaut."

In Schieflage geriet der Betrieb ab 1963. Angesichts der Marktlage wurde die Zinkproduktion reduziert. Bei einem Besuch des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Konrad Grundmann machte der damalige Leiter der Hüttenbetriebe deutlich, dass die Delrather Hütte zu klein sei, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

1971 wurde die Zinkhütte letztlich geschlossen. Noch im September des gleichen Jahres ergaben Wasserproben und Bohrungen im Bereich des Silbersees einen stark erhöhten Arsengehalt. Ablagerungen der Zinkhütte aus den vorangegangenen 20 bis 30 Jahren. Wenn heute über die Ausweisung von Gewerbeflächen gesprochen wird, ist die teure Beseitigung der giftgen Altlasten noch immer ein Thema.

Lambert Cremer bleibt auch heute noch skeptisch: "Ich glaube, da ist einiges hochgespielt worden." Hunderte Male traf er sich mit Freunden zum Baden im Silbersee, der damals schlicht Baggerloch genannt wurde. "Wir Zinkhütter und die Delrather hielten uns in unterschiedlichen Bereichen auf", erzählt Cremer — "bis die Zeit kam, als wir mit den Mädchen zu schäkern begannen." Heute ist der 72-Jährige, der sich selbst noch als Zinkhütter sieht, mit einer Delratherin verheiratet.

Und nicht nur die Menschen, auch die Hütte und Delrath sind auch heute untrennbar miteinander verbunden. Zwar steht der Betrieb heute längst nicht mehr. Das Galmeiveilchen, eine Blume, die nur auf den zinkhaltigen Böden von Stollberg wächst, ziert noch heute das Ortswappen von Delrath.

(NGZ/rl)
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