Dormagen Der Herr der verbotenen Bücher

Dormagen · In der alten Bibliothek des Klosters Knechtsteden sind etwa 60 Bücher unter der Überschrift "libri prohibiti" eingeschlossen. Pater Hermann-Josef Reetz zeigt einige Exemplare der verbotenen Bücher, die seit Umberto Ecos "Name der Rose" zu jeder guten Klosterbibliothek gehören.

 Pater Hermann-Josef Reetz blättert in einem der verbotenen Bücher in der alten Klosterbibliothek.

Pater Hermann-Josef Reetz blättert in einem der verbotenen Bücher in der alten Klosterbibliothek.

Foto: Hans Jazyk

Sie sehen unschuldig aus, mit alten Einbänden umhüllt, deren helle Farbe auf Schweinsleder hinweist — dunkle Farbe auf Rindsleder. Den rund 60 Büchern, die in der alten Klosterbibliothek Knechtsteden im weißen Schrank hinter Kaninchendraht aufbewahrt werden, sieht der Besucher ihren "skandalösen" Inhalt nicht an. Denn eine der mit einem Vorhängeschloss gesicherten Abteilungen ist den "libri prohibiti", den "verbotenen Büchern" gewidmet, die auf dem Index standen.

"Spätestens seit Umberto Ecos ,Der Name der Rose' hat jede Klosterbibliothek, die etwas auf sich hält, diese Abteilung", sagt Pater Hermann-Josef Reetz lächelnd. Das Mittelalterwerk des italienischen Schriftstellers, der heute 80 Jahre alt wird, kennt Pater Reetz natürlich auch. Er weiß noch, wo und wann er den 1982 erschienenen Roman gelesen hat: "Das war 1983 im Schwimmbad in Spa — und ich habe ihn inklusive sämtlicher Fußnoten verschlungen."

Damals war der Roman, der 1327 in einer italienischen Benediktinerabtei spielt, etwas ganz Neues: Eco entwarf ein lebendiges Bild des späten Mittelalters in einem Kloster. Pater Reetz, der Rektor der Basilika Knechtsteden, weist auf eine Parallele zur Verfilmung hin: Auch in der Knechtstedener Bibliothek gibt es Stehpulte. Damit erschöpfen sich jedoch die Gemeinsamkeiten: "Hier wird nichts versteckt."

Überhaupt sind die Inhalte der Bücher heutzutage — 47 Jahre, nachdem Papst Paul VI. den Index aufgehoben hat — nicht mehr schockierend: "Heute käme niemand mehr auf die Idee, eine Luther-Bibel zu verbieten", sagt Pater Reetz (68): "Verboten wurden im Mittelalter Zaubersprüche, nach der Reformation Werke von Luther, danach Werke der Naturwissenschaft wie von Galileo Galilei oder der Aufklärung wie von Voltaire und Descartes."

Im 19. Jahrhundert war es die erotische Liebesliteratur, die auf den Index kam. Dabei lag das auch am Viktorianismus, wie Reetz erklärt: "Die katholische Kirche war da eher großzügig: Gucken Sie sich doch die Bilder in barocken Kirchen in Süddeutschland mal genau an — da meint man, in einem Bordell zu sein." Das letzte "verbotene Buch" war von Jean-Paul Sartre.

Überhaupt in die Klosterbibliothek Knechtsteden gekommen sind die "verbotenen Bücher" dadurch, dass die Klosterbrüder über kontroverse Bücher diskutiert haben — und diese dann auch besitzen mussten. "Wir wollen die Klosterbibliothek als gewachsenes Ganzes schützen", erläutert Pater Reetz, warum die "verbotenen Bücher" nach der Abschaffung des Index nicht in die anderen 2440 Exemplare von vor 1850 einsortiert wurden. Insgesamt gibt es in Knechtsteden rund 10 000 Bücher.

(NGZ/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort