Dormagen Das Lern-Tandem

Dormagen · Ayamey hat sich innerhalb eines Jahres in Mathe um zwei, in Deutsch um eine Note verbessert. Geholfen hat ihr dabei "Lerntrainerin" Susanne Rückheim. Das Modell soll in Dormagen jetzt ausgebaut werden.

 Susanne Rückheim und Ayamey Pail-Gonzales verstehen sich inzwischen sehr gut und lernen gerne zusammen.

Susanne Rückheim und Ayamey Pail-Gonzales verstehen sich inzwischen sehr gut und lernen gerne zusammen.

Foto: Stefan Büntig

Irgendwo zwischen Balkendiagrammen, Prozentzahlen und Kommaregeln hat Ayamey Pail-Gonzales etwas gefunden, von dem sie selbst nicht wusste, dass es existiert: den Spaß am Lernen. Verschüttet war er gewesen unter einem Berg aus Verunsicherung und der Angst, nichts von dem zu verstehen, was der Lehrer an der Tafel erklärt und dem Gefühl, dass das mit dem Lernen ja sowieso alles vergebene Liebesmüh ist.

Ayamey ist 14 Jahre alt und besucht die Klasse 8b der Hermann-Gmeiner-Hauptschule. Sie spricht neben Deutsch perfekt Spanisch, denn ihre Mutter ist Kubanerin, ihr Vater Deutscher. In ihrem Bilingualismus – eigentlich ein Vorteil – liegt aber auch das Problem. "Mein Vater ist viel beruflich unterwegs und meine Mutter kann mir nicht viel helfen", sagt Ayamey. Schon in der Grundschule taten sich daher die ersten Lücken auf. Der Berg an Stoff, den sie hätte nacharbeiten müssen, wuchs von Woche zu Woche. Susanne Rückheim hilft der Achtklässlerin seit einem Jahr, diesen Berg abzutragen.

Die 47-Jährige beugt sich über das Matheheft des Mädchens. "Also ist die 3000 ungefähr hier", sagt Ayamey und will in dem Balkendiagramm die nächste Zahl eintragen. "Nee, nicht ungefähr, sondern ganz genau", verbessert Rückheim. "Du hast ja hier den gleichen Abstand." Bei Ayamey fällt der Groschen. "Ah ja", erwidert sie. Sie lächelt in sich hinein. Es ist eines der kleinen Erfolgserlebnisse, wenn sie durch ihre zwei jeweils etwa eineinhalb Stunden in der Woche mit Susanne Rückheim etwas versteht, das ihr vorher wie Böhmische Dörfer erschien. Große Erfolge hat Ayamey aber auch schon gefeiert: In Mathe hat sie sich von einer Fünf auf eine Drei verbessert, in Deutsch von einer Fünf auf eine Vier. "Dass sich das so schnell in den Noten niederschlägt, hätte ich nicht gedacht", sagt Rückheim.

Zueinander gefunden haben die beiden über das Lerntrainer-Projekt "Wirtschaft und Schule" der bei der Stadt angesiedelten Sozialdienst gGmbH. Seit mehr als vier Jahren vermittelt der Sozialdienst Erwachsene an Schüler der Hermann-Gmeiner-Schule, die Unterstützung brauchen. "Der Bedarf ist viel höher als wir decken können", sagt Koordinatorin Gudrun Freitag. Wichtig sei aber für die Arbeit mit den Jugendlichen ab der siebten Klasse nicht nur das fachliche Geschick, sondern auch der Wille sich länger zu binden. Das Lernmodell soll weiter ausgebaut werden.

Mittlerweile lernt Ayamey gern und schlägt sogar Ersatztermine vor, wenn es zeitlich doch mal nicht klappt. Sie scherzt mit ihrer Lerntrainerin, es ist eine besondere Art der Freundschaft entstanden. Eine Freundschaft, die ohne die Tiefen zu Beginn so nicht möglich gewesen wäre. Gemeinsam wollen sie bald ein Theaterstück oder Musical besuchen. "Sie traut sich jetzt viel mehr zu", sagt Rückheim. Auch vor großen Bergen, die es zu erklimmen gilt, schreckt die leidenschaftliche Schlagzeugerin Ayamey nicht mehr zurück: Sie will Regisseurin werden.

(NGZ)
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