Dormagen: Eine 100-jährige Stürzelbergerin Christel Kühn: „Ein zufriedener Mensch wird alt.“

Stürzelberg · Sie hat den Krieg miterlebt, gute und schlechte Zeiten gehabt. Sie ist Mutter von zwei Kindern, hat drei Enkel und sechs Urenkel. Alt wird, wer zufrieden lebt, sagt sie.

 Christel Kühn aus Stürzelberg  wurde an Allerheiligen 100 Jahre alt. Nach wie vor lebt sie im eigenen Haus und liest täglich die Neuß-Grevenbroicher Zeitung.

Christel Kühn aus Stürzelberg  wurde an Allerheiligen 100 Jahre alt. Nach wie vor lebt sie im eigenen Haus und liest täglich die Neuß-Grevenbroicher Zeitung.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Christel Kühn hat Allerheiligen im Kreis ihrer Familie ihren 100. Geburtstag gefeiert und ist damit nicht nur eine der ältesten Frauen, auch einer der ältesten Menschen im Dormagener Stadtgebiet. Dabei ist die Stürzelbergerin ganz bescheiden, selbst der Besuch des Bürgermeisters Erik Lierenfeld sei ihr unangenehm. „Ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt“, sagt die lebensfrohe Frau. In ihrem Haus an der Lisztstraße hat sie es sich in ihrem Sessel am Fenster bequem gemacht, die große dunkle Schrankwand verbirgt zahlreiche Erinnerungen aus 100 Jahren Leben. Einzig das Pflegebett erinnert daran, dass sie ein stattliches Alter erreicht hat. Das Haus habe sie 1968  mit ihrem vor 14 Jahren verstorbenen Mann Fritz gebaut. „Ich bin sehr froh, dass ich hier noch wohnen kann“, sagt sie und lächelt. Zu viele Erinnerungen hängen in den Mauern. Die untere Etage bewohnt sie, oben wohnt ihr Sohn Wolfgang Kühn (74). Ihre Tochter Karin Schwindt (77) lebt eine Straße weiter. Christel Kühn fragt sich manchmal, warum sie so alt werden durfte. „Mein Mann wollte immer 100 Jahre alt werden – ich nicht unbedingt“, erinnert sie sich und lacht. „Aber man lebt jeden Tag einfach weiter. Wichtig ist, dass man gesund bleibt.“ Und das ist sie. Zwar muss sie sich wegen eines vor einiger Zeit gebrochenen Fußes auf den Rollator stützen und wird auf weiteren Strecken von ihren Kindern im Rollstuhl geschoben. „Aber das macht nichts“, sagt sie.

Jeden Morgen, nachdem der Pflegedienst sie für den Tag vorbereitet hat, greift sie als erstes zur Neuß-Grevenbroicher Zeitung und liest sie komplett durch – ohne Brille, wie sie stolz betont. Abends kommt ihre Tochter vorbei, um Rommée zu spielen. „Das können wir sehr gut, wenn wir gerade gewinnen, finden wir kaum ein Ende. Und wir betuppen uns manchmal auch – aber nie absichtlich.“ Geboren wurde Christel Kühn am 1. November 1919 in Neuss. Dort wuchs sie auf, wurde Drogistin, arbeitete später in einer Apotheke in der Innenstadt. „Mein Mann war Goldschmied und stammte aus der Goldstadt Pforzheim. Es verschlug ihn nach Neuss, in ein Geschäft gegenüber der Apotheke.“ Kennengelernt haben sie sich aber doch in Düsseldorf beim Tanzen, verblüfft über diesen Zufall.

Als die ersten Bomben des Krieges auf Neuss fielen, war Tochter Karin noch nicht einmal drei Jahre alt. Dann zog die Familie in ein altes Schloss in Niederbayern, wo auch der Sohn geboren wurde, und in dem sie eine Goldschmiede eröffneten. „Wir hatten riesige Zimmer, es war eiskalt – aber vom Krieg haben wir nichts mehr mitbekommen“, sagt Christel Kühn. Zunächst liefen die Geschäfte gut, später hatte niemand mehr Geld für Schmuck übrig. Also zog es die Familie zurück in Richtung Neuss, nach Stürzelberg. „Mein Mann wollte immer vorwärts kommen – und ich habe ihn immer gerne unterstützt.“ Das äußerte sich auch in den zahlreichen Reisen nach Teneriffa, Gran Canaria oder Jugoslawien. „Aber meine Lieblingsinsel war immer Mallorca. Dort haben wir meist drei Monate im Jahr verbracht und konnten so die Insel und Menschen kennenlernen.“

Und ihr Geheimrezept? „Ein zufriedener Mensch wird alt. Die, die nach mehr streben, neiden anderen etwas. Und Neid ist wie eine Krankheit, die den Menschen zerfrisst. Ich bin mit allem glücklich, was kommt.“

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