Biologische Station in Dormagen Die Naturschützer von Knechtsteden

Dormagen · Die Mitarbeiter der Biologischen Station kümmern sich um die Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen im gesamten Rhein-Kreis Neuss.

Lebensräume für Tiere und Pflanzen optimieren und bei den Menschen ein zunehmendes Verständnis für Natur und Umwelt wecken: Das sind Kernaufgaben der Biologischen Station. Seit 2001 ist der gemeinnützige Verein „Haus der Natur – Biologische Station im Rhein-Kreis Neuss“ in Knechtsteden untergebracht, seit 2004 wird die Station von dem Diplom-Biologen Michael Stevens geleitet. Das achtköpfige Team betreut zahlreiche Projekte rund um das Kloster und im gesamten Rhein-Kreis Neuss. Ob am Teich hinter der Kloster-Basilika, am Balgheimer See in Dormagen oder im Latumer Bruch in Meerbusch – immer geht es darum, das sensible Zusammenspiel aller Lebewesen im Ökosystem zu berücksichtigen. Auch in der dicht besiedelten, intensiv landwirtschaftlich genutzten Region des Niederrheins sind zahlreiche Gebiete zu finden, die Heimat für seltene Tiere und Pflanzen bieten.

Die Lebensgeschichte des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings könnte auch den Stoff für einen spannenden Krimi liefern: Der Schmetterling legt seine Eier in den Blüten des Großen Wiesenknopfs ab. Wenn die Raupen schlüpfen, fressen sie zunächst die Blüten der Pflanze, lassen sich aber nach der dritten Häutung fallen und von der Roten Knotenameise in ihr Nest bringen. Nichts Böses ahnend, tragen die Ameisen sich damit den Todfeind ins Haus: „Die Raupen tarnen sich durch Duftstoffe als Ameisen“, erklärt Michael Stevens das Verhalten der Insekten. Drinnen angekommen, vertilgt jede der hungrigen Raupen 600 bis 800 Ameisen-Puppen. Wenn aus der Raupe schließlich ein Schmetterling geworden ist, muss dieser so schnell wie möglich aus dem Ameisen-Nest fliehen: „Dann funktioniert die Tarnung nicht mehr“, erzählt Stevens, der mit seinem Team dafür sorgt, dass der vom Aussterben bedrohte Schmetterling in der Umgebung gute Lebensbedingungen vorfindet. So wurde am Latumer Bruch, wo die Rote Knotenameise vorkommt, der Wiesenknopf angesiedelt – die Wirtspflanze des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings.

Am Balgheimer See in der Nähe des Tannenbuschs, wo bis 2014 Sand und Kies abgebaut wurden, geht es dagegen darum, wertvolle Pflanzengemeinschaften im offenen Sandboden zu erhalten. „Das Gebiet soll nicht zuwachsen“, berichtet Stevens. Um dies zu verhindern, werden immer wieder Schafe und Ziegen dorthin gebracht, damit diese die Gehölze abweiden. Auch mit dem Eselspark in Zons möchte das „Haus der Natur“ künftig kooperieren: Die Esel sollen ebenfalls dabei helfen, den Bewuchs niedrig zu halten.

Auf dem Klostergelände plätschert derweil Grundwasser in einen Teich. Die dazu nötige Pumpe wird mit Solarenergie betrieben. Der Teich ist ein Laichgewässer für Frösche und Kröten – Lieblingsfutter der Barren-Ringelnatter: „Sie ist hier sehr selten und vom Aussterben bedroht“, sagt Stevens, der mit seinem Team neben dem Teich einen Strohhaufen aufgeschichtet hat – als Nisthilfe für die Ringelnattern.

Je nach Jahreszeit beschäftigen sich die Mitarbeiter der Biostation mit ganz unterschiedlichen Bereichen: Jetzt im Winter ist Zeit dafür, Anträge zu stellen und Berichte zu verfassen. Im Frühjahr widmen sie sich dann der Kartierung – der Datenerfassung im Gelände. So werden beispielsweise Eulen gezählt. „Sie antworten auf Rufe, die wir mit einer Attrappe erzeugen“, erläutert Stevens. Im Sommer werden die Pflanzen auf den Wiesen botanisch erfasst, und im Herbst dreht sich alles um die Obstwiesen und die Verarbeitung von Äpfeln, Birnen und anderen Früchten. Nach der Ernte steht im Herbst und Winter das Zurückschneiden der Bäume auf dem Plan.

Die Pflege der Obstwiesen ist ein wichtiges Aufgabengebiet der Biostation. Mittlerweile werden kreisweit über 30 Hektar bewirtschaftet. Allein im Obstsortengarten Kloster Knechtsteden stehen über 300 Obstbäume. Die Produkte aus dem ungespritzten Obst – etwa der Apfelsaft – werden über die Biologische Station und in Hofläden vermarktet. Rund um das Klostergelände führt der Obst-Wanderweg Knechtsteden. Besucher haben die Wahl zwischen der Klosterrunde (1,6 Kilometer), der kleinen Waldrunde (4,7 Kilometer) und der großen Waldrunde (6,5 Kilometer). Unterwegs gibt es viele Informationen rund um Obstsorten und berühmte Obstzüchter. Großes Interesse hat das „Haus der Natur“ zudem an der Wiederentdeckung alter, für das Rheinland typischer Obstsorten. Wenn jemand eine seltene oder ihm unbekannte Sorte im Garten habe oder ein solcher Baum im Garten der Eltern oder Großeltern stehe, könne er sich gerne an die Biologische Station wenden. „Auf diese Weise haben wir Äpfel wie die Rheinische Schafsnase, den Blauen Kölner oder Uhlhorns Augustkalvill und die Dycker Schmalzbirne wiedergefunden“, freut sich Michael Stevens. Zum Obstsortengarten wird auch ein Audio-Guide angeboten. Er kann auf einem Abspielgerät in der Biostation ausgeliehen oder als kostenfreie App auf dem Smartphone installiert werden.

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