Angebot in Dormagen Streetwork erzielt Erfolge - braucht aber Zeit

Dormagen · Seit genau einem Jahr läuft das Projekt „aufsuchende Sozialarbeit“ mit Streetworkern mit Schwerpunkt Horrem. Sie haben das Fundament gelegt, die 15 bis 27 Jahre alten Jugendlichen für Problemlösungen zu erreichen.

Es rumpelt ein bisschen, wenn Laura Rehmet (28) und Leon Römer (25) mit ihrem Bollerwagen über das Pflaster des Bahnhofsvorplatzes rollen. Die beiden Streetworker sind nicht nur durch den gelb-rot-grün-orangefarbenen Wagen überall erkennbar: Sie bieten sich den Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch auf den Bahnsteigen als Gesprächspartner an – oft nur zum Plausch, aber immer wieder auch zur Lösung von Problemen und zur ganz konkreten Hilfestellung, damit die jungen Dormagener wieder eine Perspektive für ihr Leben entwickeln können.

Denn die beiden Streetworker des Diakonischen Werkes sind seit genau einem Jahr im Rahmen des von der Stadt geförderten Projektes „aufsuchende Sozialarbeit“ mit dem Schwerpunkt Horrem – und damit auch oft am Bahnhof – unterwegs. Gut für ihre präventive Arbeit ist auch, dass sie ihr niederschwelliges Angebot zu zweit anbieten. Wer lieber mit einer Frau spricht, kann genauso den richtigen Ansprechpartner finden, wie diejenigen, die lieber mit einem Mann sprechen. Sie verteilen Flyer mit ihren Handynummern für einen späteren Kontakt, sind in den sozialen Medien wie Instagram mit ihrem Infoangebot vertreten. Bei ihren Rundgängen mit dem Bollerwagen haben sie unter anderem Mineralwasserflaschen, Powerbanks zum Handy-Laden, Süßigkeiten, Regenschirme und Feuchttücher dabei.

„Wir haben Schweigepflicht und helfen jedem, auch wenn er lieber anonym bleiben will“, sagt Streetworker Leon Römer, der auch in Grevenbroich als Streetworker, allerdings für Erwachsene, im Einsatz ist, während Kollegin Laura Rehmet aus der Jugendarbeit und -pflege kommt: „Wir sind für die Jugendlichen keine Freunde, aber Ansprechpartner auf Augenhöhe“, betont Streetworkerin Rehmet: „Wir haben auch keine sanktionierende Funktion, erheben nicht den moralischen Zeigefinger oder schreiten ein, wenn es Schlägereien gibt.“

Dabei drängen sich die Streetworker auch nicht auf. „Das wäre kontraproduktiv, wenn wir auf die Gruppen zugehen und ein Gespräch aufzwingen würden“, erklärt Rehmet lachend. Es gehe eher darum, Vertrauen aufzubauen und da zu sein, wenn die jungen Dormagener im Alter von 15 bis 27 Jahren über Konflikte und Probleme sprechen möchten – im Schnitt sind die Ratsuchenden 22 Jahre alt. „Das funktioniert sehr gut über Mund-zu-Mund-Propaganda“, sagt Rehmet. „Wem wir schon mal helfen konnten, zum Beispiel bei Formularen von der Stadt oder dem Jobcenter, der erzählt das den Kumpels, die sich dann an uns wenden.“ Es gibt die Möglichkeit, sich zu Beratungsgesprächen im Büro an der Knechtstedener Straße 20 oder anderswo zu treffen – mit der nötigen Ruhe.

Denn die Themen, mit denen sich die Streetworker befassen, sind vielfältig und intensiv: „Eigentlich alles, was den Alltag der Jugendlichen ausmacht“, erklärt Leon Römer. Alles rund um Behörden, Miete, Arbeit, Beziehungen, Familienkonflikte, Krawall, Gewalterfahrung, Drogenkonsum, Orientierungslosigkeit, Bewährungsstrafen oder Sozialstunden. „Da arbeiten wir mit ganz vielen Beratungsstellen zusammen, nicht nur mit denen der Diakonie“, erklärt Leon Römer.

„Viele trauen sich erst, uns anzusprechen, wenn es fast nicht mehr weitergeht“, berichtet Laura Rehmet. Dabei entpuppe sich ein konkretes Problem dann oft als „Ü-Ei-Effekt“, mit vielen Überraschungen, für die schnell Lösungen gesucht werden müssten. „Streetwork funktioniert aber nicht schnell, es ist auf lange Sicht angelegt. Das Vertrauen baut sich über eine lange Zeit auf, und oft dauert es Stunden oder gar Tage, bis einer der Ratsuchenden durch unsere Vermittlung und Hilfe wieder eine Perspektive gefunden hat“, sagt Römer. „Das Fundament ist gelegt.“ Neben dem Bahnhof ist auch der Skaterpark in Horrem ein primäres Ziel. Dort, wo die Jugendlichen anzutreffen sind, gehen Rehmet und Römer hin. Auch zu den Schulsozialarbeitern in Dormagen gibt es Kontakt.

Begonnen hat die Streetwork-Arbeit am 4. Juli 2019 mit dem Aufbau eines Netzwerkes, daher waren zunächst auch vier Mitarbeiter dabei, die ihre Erfahrungen, Vernetzungen, Arbeitsschwerpunkte und konkreten Hilfsangebote in das Projekt eingebracht haben. Inzwischen teilen sich Laura Rehmet und Leon Römer die Streetwork-Stelle. Sie wurde gegenfinanziert über eine Umverteilung der städtischen Zuschüsse für die Jugendarbeit in Hackenbroich. Mitte August spricht der Jugendhilfeausschuss über die Verlängerung des Streetwork-Projektes.

Fünf Fakten zu dem Thema gibt es hier.

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