Kulturhalle Dormagen „Die Distel“ führt den neurotischen Westen vor

Dormagen · Die Kabarettreihe des städtischen Kulturbüros ist sehr beliebt. „Die Distel“ war bereits vor einem halben Jahr ausverkauft.

Bereits ein halbes Jahr vorher war die Kulturhalle an der Langemarkstraße ausverkauft: Das Berliner Theater-Kabarett „Die Distel“ mit dem selbstgewählten Attribut „Der Stachel am Regierungssitz“ gastierte wieder einmal in Dormagen. Das aktuelle Programm „Wenn Deutsche über Grenzen gehen – oder: Das Ziel ist im Weg“ bescheinigt uns: Wir sind kollektiv neurotisch, aber – zum Glück! – die Kollektivneurose ist therapierbar!

Das Theater: Schulleiterin Marion (Caroline Lux), Pfarrer Lars (Timo Doleys) und der Spulenwickler Dirk (Stefan Martin Müller) beschließen den Ausstieg und begeben sich auf der Suche nach Sinn, Zeit für sich und irgendwas mit Inhalt auf den Jakobsweg. Ein gewaltiges Gewitter zwingt die Drei in eine verlassene Schäferhütte. Ohne Handynetz, also eigentlich ohne Hoffnung aufs Überleben.

Das Kabarett: Nun ist viel Zeit zum Nachdenken, über Klimawandel, Flüchtlingskrise, Demokratieverlust. Die Stockbetten der Pilgerherberge werden zum Abbild des Lebens. Naja, Deutschland geht es noch gut, weil man sich von der Kanzlerin einschläfern lässt. Yoga statt Revolution. Früher haben die Wanderer auf dem Jakobsweg Gott gesucht, heute suchen sie sich. Pfarrer Lars, der ehrenamtlich auch Bürgermeister von Bonnsdorf-Kaulquapp (Brandenburg) ist, kommt mit den Flüchtlingen nicht klar.

Timo Doleys, seit 2006 bei der Distel – vorher war er festes Ensemblemitglied beim Rheinischen Landestheater Neuss –, hat vor allem als auch ausgebildeter Tenor bei den schönen Songs die Nase vorn. Schulleiterin Marion muss das Ende ihrer Langzeitbeziehung von drei Wochen verarbeiten. Der geschmeidigen Caroline Lux sieht man immer noch ihr Engagement als Balletttänzerin am Aalto-Theater in Essen an. Beim Song „Lauf, lauf den Jakobsweg“ mit tänzerischer Choreographie (Regina Weber) ist sie nicht zu toppen. Der Spulenwickler Dirk ist auf Anraten seiner Krankenkasse auf dem Jakobsweg, um sein Bewegungskonto auszugleichen. Stefan Martin Müller gibt der Figur Authentizität. Witzige, manchmal bissige Songs spielen ebenfalls eine Hauptrolle: Falk Breitkreuz und Till Ritter, der auch die Arrangements verantwortet, bildeten mit verschiedensten Instrumenten ein perfektes Duo.

So passen musikalische und szenische Dramaturgie (Regie: Michael Frowin) genau übereinander. Fulminant der Beginn mit einem bizarren Wanderlieder-Medley, ebenso das Finale, in dem Dr. Angela Merkel live auftritt (Timo Doleys mit Raute).

Die Publikumsreaktion: Lautes Vergnügen!

Nächster Auftritt in der städtischen Kabarettreihe in der Kulle: Jens Neutag am 8. Dezember.

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