Dormagen Als eine Apfelsine unterm Baum noch ein Fest war

Dormagen · Peter Winter (94), seit sechs Jahren im Alloheim in Dormagen zu Hause, denkt bei Weihnachten zuerst an seine Kindheit: "Mit sechs Jahren bekam ich ein weißes Pferd und einen blauen Postwagen aus Holz. Weil ich mich nicht benommen hatte, war der Wagen plötzlich verschwunden. Aber Weihnachten lag er - nun gelb angestrichen - wieder unter dem Baum", erzählt der rüstige Senior schmunzelnd.

Sehr prägend waren für ihn die fünf Weihnachtsfeste, die er als Soldat erlebte. Der aus Köln stammende ehemalige Bundesbahnhauptsekretär war in Holland stationiert. Zu Weihnachten wurde etwas Besseres gekocht und ein Baum organisiert. Nach dem Essen sangen die Soldaten Weihnachtslieder - zum Abschluss "Ich möcht' zu Fuß nach Kölle jon". "Und dann haben wir alle geheult", sagt Winter leise. Bei einem Besuch der Messe an Heiligabend ("Wir wollten einfach nur dafür danke sagen, dass wir noch lebten") trafen die Soldaten auf junge Damen. Eine verlor ihren Rosenkranz. "Ich wollte ihn zurückgeben, aber sie dachte, ich wollte sie anmachen", erzählt Winter lachend. So behielt er ihn selbst - sogar in kanadischer Gefangenschaft wurde er ihm nicht abgenommen. Winter fand in ihm Trost und Kraft - "einer hat immer die Hand über mich gehalten", sagt der gläubige Katholik.

Christine Hösen (94), seit drei Jahren im Seniorenheim Lindenhof in Grevenbroich zu Hause, feiert am 27. Dezember Geburtstag. "Erst kam das Christkind und dann kam ich", sagt sie. In ihrer Kindheit ging Hösen mit ihren drei Schwestern Heiligabend um Mitternacht zur Kirche. "Danach versuchten wir zu schlafen, bis wir morgens ein Glöckchen hörten. Da wussten wir - das Christkind war da", erzählt sie. Ein Teller mit Äpfeln und Nüssen, später sogar eine Puppe - "wir waren mit Wenigem zufrieden", resümiert Christine Hösen. Die Kriegsjahre erlebte die aus Kapellen stammende Seniorin als Rotkreuzschwester. Die damaligen Ängste lassen ihre Erinnerungen an die Weihnachtsfeste verschwimmen: "Wir suchten Schutz vor den Bomben, mussten Schützengräben ausheben, und als Hutmacherin war ich gezwungen, in einer Fabrik am Schraubstock zu stehen", erinnert sie sich. "Die Menschheit hat nichts dazugelernt, immer noch gibt es viele Kriege", konstatiert sie.

Im Johanniterstift in Kaarst wohnen Hannelore Mühlbradt (73) und Frieda Lange (95). Mühlbradt erlebte die für ihre Generation typischen Weihnachten der Nachkriegszeit: "Wir feierten schlicht und einfach", fasst sie zusammen. Es gab ein paar Kleidungsstücke, und unbestreitbarer Höhepunkt waren eine Apfelsine oder eine Banane unter dem Baum. Der war von Hannelore Mühlbradt mit Vater und Bruder vorher im heimischen Wald ausgesucht und vom Förster geschlagen worden. "Heiligabend aßen wir traditionell Kartoffelsalat und Würstchen", beschreibt sie das Menü. Frieda Lange erinnert sich vor allem an die Weihnachtsfeste ihrer Kindheit in der tief verschneiten pommerschen Heimat. Jedes Jahr lag eine 'neue' Puppe unter dem Baum - unerkannt mit neuer Kleidung ausgestattet. Das Festessen bestand aus geräucherter Gänsebrust, gepökeltem Gänseklein und gelben Steckrüben - "ein einmaliges Weihnachtsessen", schwärmt Frieda Lange bis heute.

(NGZ)
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