Senioren in Dormagen „Kunstpaten“ fördern die Kreativität

Dormagen · Bewohner der Seniorenresidenz Alloheim schwärmen von dem jährlich stattfindenden Kursus des Vereins Kunstpaten, bei dem sie ihren Ideen freien Lauf lassen.

Vor ein paar Monaten drohte noch ein trauriger Abschied, und der hätte nicht einmal mit der Corona-Pandemie zu tun gehabt. Doch nun steht Magdalene Prill auf einer kleinen Terrasse am Alloheim und präsentiert mit einem Lächeln ihr Bild mit Kuchenstücken und ihren Tonschalen-Leuchtkörper in Form einer prächtigen Eistorte, die die demnächst 88-Jährige in den vergangenen Wochen im Alloheim geschaffen hat. Denn letztendlich hat es doch geklappt mit ihrer Teilnahme am Angebot des Vereins „Kunstpaten“, das sie schon früher gerne wahrgenommen hatte.

Keine Selbstverständlichkeit: Zunächst hatte sie sich nämlich bei Kursleiterin Yvonne Espe schweren Herzens abmelden wollen. „Meine Augen haben sich so verschlechtert“, erzählte Prill. Doch wo ein Wille, da ein Weg: Espe sorgte für passende Rahmenbedingungen, gab Prill statt Blei- den Filzstift an die Hand und achtete auf den idealen Abstand zwischen der Seniorin und dem zu bearbeitenden Material. „Und dann habe ich mir auch noch mit einer Taschenlampe beholfen“, berichtet Prill schmunzelnd.

So klappte es, und die charmante alte Dame, die seit fast vier Jahren im Alloheim lebt und früher am liebsten Gedichte geschrieben hat, konnte doch wieder mitmachen. „Toll, dass sie mit soviel Freude dabei ist“, urteilte Yvonne Espe vom Verein Kunstpaten. Seit 2014 organisiert sie jährlich ein Kreativseminar für die Bewohner der Senioreneinrichtung. In der Regel treffen sich die Teilnehmer einmal wöchentlich über einen Zeitraum von ungefähr drei Monaten, jedes Jahr gibt es neue Themen. In diesem Jahr lief der Kursus coronabedingt etwas länger.

Die Pandemie führte auch dazu, dass die Werke der Senioren nur einen Tag lang gemeinsam ausgestellt werden konnten – aus Sicherheitsgründen unter freiem Himmel und nicht, wie gewöhnlich, im Innenbereich des Alloheims. Die Bilder und Tonschalen-Leuchtkörper, die Magdalene Prill und ihre acht Mitstreiterinnen – in diesem Jahr machten nur Frauen mit – kreiert haben, werden ihren Platz im Haus finden, wie die Schöpfungen aus den Vorjahren auch. So können sich alle Bewohner dauerhaft daran erfreuen.

Als Inspiration für den Kursus (Motto: „In mir klingt ein Lied“) hatte Espe Schlager aus den 1950er-, 60er- und 70er-Jahren und die entsprechenden Texte herausgesucht. Am Ausstellungstag liefen die Lieder im Hintergrund, zum Beispiel „Rote Lippen soll man küssen“ von Gus Backus oder „Tulpen aus Amsterdam“ von Mielke Telkamp. Prills Eistorte basierte auf dem Udo-Jürgens-Hit „Aber bitte mit Sahne“.

Sabine Nielsen, die Leiterin des Alloheims, sieht zahlreiche positive Effekte der Kreativworkshops. „Sie schulen die Feinmotorik unserer Bewohner, ihre Kreativität und ihr Ausdrucksvermögen“, nennt sie als Beispiele. Auch das regelmäßige Zusammenkommen in einer Gruppe tue den Teilnehmern gut, ist Nielsen überzeugt. Mitunter sind auch dementiell erkrankte Bewohner dabei, diesmal nahm eine Dame teil, die durch eine halbseitige Lähmung gehandicapt ist.

Möglich macht das Wirken des Kunstpaten-Vereins, der es Menschen im Alter ermöglichen will, durch Kreativität geistig auf der Höhe zu bleiben, der Chempark-Betreiber Currenta. Das Projekt im Alloheim unterstützt er von Beginn an, seit 2014. In diesem Jahr spendete Currenta dem Kunstpatenverein 3800 Euro; die Förderung soll 2021 fortgeführt werden, kündigte Unternehmenssprecher Mathias Scheithauer bereits an. „Wir sehen uns an unseren Standorten als Teil der Nachbarschaft und möchten uns aktiv einbringen“, erläuterte Scheithauer die Motivation des Chempark-Betreibers. Dabei sei es ein Anliegen, gerade jene Teile der Gesellschaft zu unterstützen, „an die man sonst nicht unbedingt sofort denkt“, sagte Scheithauer mit Blick auf viele ältere Menschen, deren Möglichkeiten eingeschränkt sind.

 Tonschalen-Leuchtkörper schufen die Seniorinnen auch zu den Gassenhauern „Mein kleiner, grüner Kaktus“ und „Pack’ die Badehose ein“.

Tonschalen-Leuchtkörper schufen die Seniorinnen auch zu den Gassenhauern „Mein kleiner, grüner Kaktus“ und „Pack’ die Badehose ein“.

Foto: Schwalenberg-Fotografie/Currenta

Doch mitunter kann neben der meist unverzichtbaren finanziellen Unterstützung eben auch ein wenig Improvisationsvermögen nicht schaden. Magdalene Prill hat das mit ihrer Taschenlampe gerade erst eindrucksvoll vorgemacht.

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