Dormagen Abhörpatin lässt sich Geschichten erzählen

Dormagen · Sie hat sich selbst vor Jahren im Junior- und Sommerleseclub der Stadtbibliothek ihre Stempel abgeholt. Jetzt ist Mine Akay selbst Patin.

Sie sitzt an einem Tisch in einer Ecke der Stadtbibliothek. Darauf liegen Lesepässe, Lesezeichen und ein Stempel. Mine Akay wartet, wartet auf Grund- und Schüler der weiterführenden Schulen, die in diesen Sommerferien an den Ferienleseclubs der Stadtbibliothek teilnehmen. Die 18-Jährige ist eine von mehreren Dutzend sogenannten Abhörpaten, denen die Jungen und Mädchen, die an der Aktion teilnehmen, erzählen, was sie gelesen haben. Dabei nennen sie nicht nur den Titel und vergeben pro Geschichte maximal vier Sternchen. Nein, sie geben auch den Inhalt des Buches wieder. Denn nur so haben die Paten die Gewissheit, dass das Buch auch wirklich gelesen wurde.

Mine selbst hat auch bereits als Grundschülerin an der Sommeraktion teilgenommen und sich jetzt zum ersten Mal als Patin gemeldet. Schüchtern seien ihre ersten "Prüflinge" keinesfalls gewesen. "Gerade die Grundschüler erzählen lange und vergessen auch noch so kleine Details nicht", sagt Mine, die im kommenden Jahr am Norbert-Gymnasium Abitur machen und danach vielleicht Jura studieren möchte. Aber klar ist das noch nicht. "Vielleicht entscheide ich mich in knapp einem Jahr auch für etwas anderes", sagt sie. Selbst liest die Hackenbroicherin am liebsten Fantasy-Romane und ist schon seit vielen Jahren Nutzerin der Stadtbibliothek.

Wie der neun Jahre alte Liam. Der hat bis jetzt in den Ferien zwei Bücher gelesen, eine Detektiv- und eine Gruselgeschichte, deren Inhalt er mühelos wiedergeben kann. Beide Bücher bewertet er anschließend mit drei von vier Sternen. Als Grundschüler braucht er eigentlich nur ein Buch zu lesen, um eine Urkunde zu erhalten. Aber Liam will sich sogar noch ein drittes aussuchen. Denn noch hat er frei, und ab nächster Woche gehört er dann als Viertklässler zu den Großen in der Theodor-Angerhausen-Schule.

Jeden Tag ist zur Zeit ein Pate während der Öffnungszeiten der Bibliothek da und hört sich Geschichten an. "Wie viele Kinder mitmachen, wissen wir gar nicht. Auch nicht, wann sie kommen, denn sie müssen sich ja nicht wie zu einer Prüfung anmelden", sagt Claudia Schmidt, Leiterin der Bibliothek. Seit ungefähr zehn Jahren gibt es die Ferienleseclubs, und sie erfreuen sich ihrer Aussage nach wachsender Beliebtheit.

Mine leiht sich in der Stadtbibliothek nicht nur Bücher, sondern auch Filme aus. Bis vor kurzem spielte sie noch regelmäßig Tennis. Das hat sie aber aufgegeben, weil sie sich nun intensiv aufs Abitur vorbereiten will. Vier Tage hat sie als Abhörpatin den jungen Bücherwürmern zugehört. Heute wird sie auch dort sitzen und Pässe abstempeln. Und dann will die gebürtige Türkin noch den Rest ihrer Ferien genießen - obwohl ein wenig für die Schule arbeiten, wird sie auch. So liest sie selbst, während sie an ihrem Tischchen auf die Teilnehmer wartet, und zwar Lektüre für den kommenden Französisch-Unterricht. Nächstes Jahr wird sie sich wieder als Abhörpatin melden.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort