Kolumne Neu In Der Stadtbücherei Wolf Biermann: Der letzte deutsche Balladendichter?

Dinslaken · Kürzlich wurden den Lesern der Rheinischen Post die ebenso farbigen wie fesselnd zu lesenden Lebenserinnerungen des populären Liedermachers und Lyrikers Wolf Biermanns vorgestellt. Titel: "Warte nicht auf bessere Zeiten."

Parallel dazu erschien jetzt eine Auswahlausgabe der - aus der heutigen Sicht Wolf Biermanns - besten seiner Gedichte. Wie der Titel "Im Bernstein der Balladen" schon signalisiert, stellt Biermann sich hier als Balladendichter in der Nachfolge Friedrich Schillers, Heinrich Heines und Bert Brechts vor.

"Balladen", das meint hier Erzählgedichte, in denen Biermann zeitgeschichtliche Erfahrungen reflektiert und zugleich politisch aufklären will - und mit denen er es immer wieder geschafft hat, das Machtgefüge in der DDR zu erschüttern - bis er dann 1976 ausgebürgert wurde.

Die chronologische Anordnung der Gedichte lässt den Wandel der Themen und der lyrischen Tonlagen in Wolf Biermanns bewegtem Dichter-Leben erkennen und macht zugleich die Stationen seiner politischen und geistigen Entwicklung anschaulich: "Vom geborenen Kommunisten zu einem treuen Renegaten, der sich endlich von der Ideologie seines Kinderglaubens befreit" (so Wolfgang Biermann im Vorwort).

Man findet fast alle bekannten Gedichte Biermanns in dem Band, sollte allerdings bei einigen Balladen noch den zeitgeschichtlichen Kontext im Kopf haben, wie ihn Wolfgang Biermann in seinen Lebenserinnerungen so eindrucksvoll nachgezeichnet hatte.

Wer nach der Lektüre der Autobiographie Wolf Biermanns neugierig geworden ist auf eine Begegnung oder Wiederbegegnung mit diesem ganz eigenständigen Balladendichter oder wer in diesem Politbarden den Dichter, den legitimen Nachfahren von Francois Villon und Bert Brecht entdecken will, dem sei dieser Auswahlband mit Nachdruck empfohlen.

DR. RONALD SCHNEIDER

Biermann, Wolf: Im Bernstein der Balladen. Lieder und Gedichte; Propyläen Verlag: 2016.

(RP)
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