Heilpraktikerin in Hünxe „Wenn die Windräder kommen, kann ich einpacken“

Hünxe · Christiane Emig aus Hünxe-Drevenack fürchtet um ihre berufliche Existenz, sollten die Windparkpläne in ihrer Nachbarschaft Realität werden. Ein landschaftliches Idyll sieht sie in Gefahr. Doch ihr eigentliches Argument ist überraschend.

Christiane Emig will Windräder in Hünxe-Drenevack (Waldgebiet Steinberge) verhindern.

Christiane Emig will Windräder in Hünxe-Drenevack (Waldgebiet Steinberge) verhindern.

Foto: Frieder Bluhm

Christiane Emig deutet auf ihr Haus und die Umgebung. „Es ist ein Paradies“, sagt die 59-Jährige. Man ist geneigt, ihr beizupflichten. Besonders an einem sonnigen Tag im Frühling, wenn das Sonnenlicht durch das helle Grün des jungen Buchenlaubs fällt. Auf der sattgrünen Wiese vor dem Haus grasen Pferde. Hinter dem ehemaligen Bauernhaus, zu dem auch noch Stallgebäude gehören, beginnt direkt der Wald. Von der nahen Autobahn ist nichts zu hören. Das Haus am nordwestlichen Rand von Hünxe-Drevenack erreicht man in wenigen Minuten über verschlungene Sträßchen. Dann ist man in Christiane Emigs Paradies. Doch das ist in Gefahr.

Noch sieht man hinter dem Haus nur Wald. Wenn es jedoch so kommt, wie es die Kommunalpolitik derzeit befürwortet, könnten aus dem Wald in wenigen Jahren mehrere 250 Meter hohe Windräder ragen. Unlängst hat sich der Ausschuss für Planung, Umwelt und Klimaschutz der Gemeinde Hünxe dafür ausgesprochen, die Fläche in Drevenack im Bereich des Waldgebiets Steinberge zwischen A 3 und der L1 südlich der bestehenden Hochspannungsleitung als neuen Standort für Windenergie auszuweisen.

Ein von der Gemeinde in Auftrag gegebenes Gutachten stuft das fragliche Areal als geeignet ein. Dafür sprächen eine geringe Strukturvielfalt und Naturnähe, die erhebliche Vorbelastung des Landschaftsbildes und die nur geringe Erholungseignung. Geringe Erholungseignung? Über diese Einschätzung kann sich die 59-Jährige nur wundern, führe doch neuerdings der Hohe-Mark-Steig durch das Waldgebiet.

Dass in dem Gutachten die „geringe Strukturvielfalt“ mit überwiegenden Nadelholzbeständen begründet wird, erbost Christiane Emig regelrecht. „Hier ist längst ein Mischwald entstanden“, widerspricht sie der Beurteilung der Fachleute. Zudem müssten nicht nur die jeweiligen Windrad-Standorte großflächig gerodet werden, um die Fundamente zu gießen. Material und Maschinen müssten ja überhaupt erst mal dorthin gelangen können. „Bei der vorgesehenen Erschließung über den Postweg bleibt dann ja von dem Wald kaum noch etwas übrig“, befürchtet sie.

Doch ihr Hauptargument, weshalb sie die Windradpläne ablehnt, ist nicht die Zerstörung der Idylle. Vielmehr sieht sie ihre berufliche Existenz bedroht. Dabei hat sie mit dem Wald beruflich nichts zu tun: Die 59-Jährige, die vor 25 Jahren mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern nach Hünxe-Drevenack gezogen ist, um den gemeinsamen Traum von einem eigenen Pferdehof wahrwerden zu lassen, ist Heilpraktikerin mit eigener Naturheilpraxis. Die Praxisräume befinden sich in dem geräumigen Wohnhaus, von dem der nächstgelegene potenzielle Windradstandort nur 650 Meter entfernt ist.

 Hauptsächlich Nadlwald? Christiane Emig zweifelt am Gutachten.

Hauptsächlich Nadlwald? Christiane Emig zweifelt am Gutachten.

Foto: Frieder Bluhm

Neben allerlei anderen Therapieformen hat sich Christiane Emig auf die Vitalfeldtherapie spezialisiert. Damit werden Erschöpfungszustände, Schlafstörungen, Schmerzzustände, Infektanfälligkeit, akute und chronische Entzündungen, Autoimmunerkrankungen, Migräne, Kopfschmerzen, Rückenbeschwerden, Gelenkbeschwerden, Rheuma, Allergien und viele weitere Gebrechen behandelt.

Die Behandlung setzt eine Vitalfeldmessung (korrigierte Textfassung: zuvor Bio-Impedanz-Analyse, Anm. d. Red) voraus: Der Körper wird mit Frequenzen konfrontiert und die Resonanz gemessen, um daraus Rückschlüsse zu ziehen, welche Strukturen gestört sind und wo folglich eine Behandlung ansetzen muss. Das Verfahren, das die Heilpraktikerin aus Hünxe einsetzt, nennt sich Global Diagnostics. Dabei erfassen Elektroden Millionen von Messdaten, deren Auswertung dem kundigen Therapeuten Auskunft über den energetischen Zustand des Patienten geben kann.

80.000 Euro hat Christiane Emig in das Gerät investiert, das für die Vitalfeldtherapie unabdingbar ist.

80.000 Euro hat Christiane Emig in das Gerät investiert, das für die Vitalfeldtherapie unabdingbar ist.

Foto: Frieder Bluhm

Christiane Emig befürchtet nun, dass diese Messungen gestört werden könnten. Nämlich durch den Infraschall, den die Windräder erzeugen – niederfrequente Geräusche, die so tief sind, dass sie für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar sind. Wohl aber für die sensiblen Sensoren. Das Messgerät, das 80.000 Euro gekostet hat, wäre dann für die Katz. Auch wenn es dafür keinen Beleg gibt, wie die 59-Jährige einräumt. Doch darauf will sie es nicht ankommen lassen. „Für diese Therapieform kommen Menschen von weit her“, berichtet sie. Nachdem die Corona-Pandemie die Naturheilpraxis fast zum Erliegen gebracht hat, geht es gerade wieder aufwärts. Doch wie lange noch? „Wenn die Windräder kommen, kann ich einpacken“, ist Christiane Emig überzeugt.

Ihre ablehnende Haltung hat sie zu einem einsamen Menschen gemacht. In ihrer Nachbarschaft haben sich nahezu alle in der Interessengemeinschaft Steinberg zusammengeschlossen, die mit dem Projektentwickler, der ABO Wind AG, die in dem Waldstück vier Windräder errichten möchte, eine Absichtserklärung für die gemeinsame Entwicklung des Windparks unterzeichnet hat. Für ihre Unterstützung erhält die IG Steinberg eine exklusive Erwerbsoption zum Kauf des geplanten Windparks oder einzelner Windkraftanlagen – mit entsprechender Gewinnbeteiligung.

Man sähe die „Dollarzeichen in den Augen der Nachbarn“, bedauert Christiane Emig, die nach eigenen Worten gar nicht gegen Windkraft ist. „Nur eben an den geeigneten Stellen“, sagt sie. Die fraglichen Flächen hält sie nicht für geeignet. Sie hofft, mit ihren Einwänden Gehör zu finden. Vielleicht im Hünxer Haupt-, Finanz- und Liegenschaftsausschuss, wo das Projekt erneut auf der Tagesordnung steht. Auch wenn es am Ende ein – im wahren Sinne des Wortes – Kampf gegen Windmühlen sein sollte: So einfach hinnehmen will sie den Verlust ihres Paradieses nicht.

(fbl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort