Unsere Woche Vom Wert der ehrenamtlichen Politik für uns alle

Dinslaken · Warum es leicht ist, sich über Politik aufzuregen, warum es aber wichtig ist, sich ab und an ins Gedächtnis zu rufen, wie wichtig Politik für das Zusammenleben in einem Gemeinwesen ist.

Der Satz, der einem Sozialdemokraten in dieser Woche im Dinslakener Schulausschuss über die Zunge rutschte, darf wohl mit Fug als Paradebeispiel für das gelten, was in die Kategorie "Freudscher Versprecher" einzuordnen ist. "Wir wollen alles dafür tun, dass die Politikverdrossenheit nicht weiter nachlässt", sagte der erfahrene Kommunalpolitiker, der sich seit Jahren mit unbestrittenem Einsatz und ebenso unbestrittener Sachkenntnis in den "Niederungen" der örtlichen Politik abmüht, als es um die U18-Wahlen in Dinslaken ging. Und natürlich könnte einem bei so einem Satz der hämische Kommentar "Jawoll, und das schafft ihr auch" durch den Kopf schießen. Aber Obacht. Diese Kolumne ist ja nun nicht gerade dafür bekannt, dass sie es darauf anlegt, Kommunalpolitikern eine Wohlfühloase zu schaffen. Im Gegenteil, an dieser Stelle wird Woche für Woche Kritik geübt, deutlich, pointiert und hart. Vielleicht ist diese Kolumne deswegen aber auch genau der richtige Ort, um einmal - Vorsicht, nicht die geringste Spur von Ironie - eine Lanze für die Kommunalpolitik und die, die sich mit unverzichtbarem ehrenamtlichen Engagement in ihr tummeln, zu brechen.

Politik, speziell auch die Kommunalpolitik, ist unter einen immensen Rechtfertigungsdruck geraten, der an Selbstbewusstsein und Nerven zehrt. Davon zeugt nicht nur der eingangs zitierte Freudsche Versprecher, dafür spricht auch die gerade aktuelle Debatte über den Erlass des Landesinnenministers, der Kommunalpolitikern mehr Geld zur Stärkung ihres ehrenamtlichen Engagements zukommen lassen will. Das lehnen viele Kommunalpolitiker ab, weil sie finden, dass es angesichts der Belastungen, die die finanziell klammen Kommunen Bürgern zumuten, nicht in die Zeit passt. Das ehrt diese Kommunalpolitiker. Aber warum eigentlich tun sie das?

Mal jenseits der Tatsache, dass es ein ausgesprochen zweifelhafter Weg ist, mit Geld Engagement zu "kaufen", geht es hier nicht um Summen, mit denen der Aufwand, den Kommunalpolitiker treiben, um ihr Ehrenamt auszufüllen, tatsächlich ausgeglichen werden könnte - jedenfalls nicht, wenn sie ihre Aufgabe ernst nehmen. Ja, schon klar, es gibt auch die anderen, die, die ihr Amt nicht ernst nehmen, die, denen die Interessen derer, die sie vertreten sollen, im Zweifel schnurz sind. Aber es gibt auch die vielen anderen, die sich kümmern, die sich um Sachkenntnis bemühen, die in ihre Aufgabe viele Stunden freier Zeit investieren. Und die werden gebraucht. Dringend. Gerade in diesen Zeiten, in denen in den sozialen Netzwerken Debatten geführt werden, bei denen es nicht unbedingt auf Faktenwissen, sondern auf Emotionen ankommt, müssen sie Orientierung geben und Haltung zeigen, gerade auch, was Entscheidungen angeht, die direkte Auswirkungen auf das Zusammenleben vor Ort haben. Das macht ihren Wert aus.

Die Welt ist kompliziert - auch auf kommunaler Ebene, für schwierige Probleme gibt es höchst selten einfache Antworten. Hier ist Politik gefragt, gerade auch die ehrenamtliche. Sicher macht die Fehler. Natürlich gibt es auch auf kommunaler Ebene Kungelei und Pöstchengeschacher. Es gibt viel zu wenig Bereitschaft, eingefahrene Strukturen aufzubrechen und natürlich ist deswegen auch kommunale Politik ein nicht geringer Teil des Problems, wenn es um die Wehklage über Politikverdrossenheit geht. Und deswegen muss sie sich auch kritisieren lassen. Das alles aber ändert nichts daran, dass das kommunalpolitische Ehrenamt für ein Gemeinwesen unverzichtbar ist und jeder, der sich dafür entscheidet, sich in seiner Kommune politisch zu engagieren, erst einmal Respekt verdient. Wenn das immer weniger tun, hat das fatale Folgen. Daran etwas zu ändern, ist eine wichtige Aufgabe der Politik - aber eben nicht nur ihre. Das Thema geht alle an. Es geht um eine Haltung. Politik ist nicht per se schlecht und verachtenswert, sie ist unverzichtbar, um Zusammenleben zu regeln. Bei aller notwendigen Kritik, kann es nicht schaden, sich das ab und an ins Gedächtnis zu rufen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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