Justin Sullivan Unbezähmbar und wieder ganz oben auf

Dinslaken · Die englische Band New Model Army ist der Hauptact beim "Ruhrpott-Rodeo" am 24. Mai auf der Schwarzen Heide.

 "Es geht immer wieder darum, neue Klänge zu entdecken", sagt Jerry Sullivan, Gitarrist und Sänger von New Model Army.

"Es geht immer wieder darum, neue Klänge zu entdecken", sagt Jerry Sullivan, Gitarrist und Sänger von New Model Army.

Foto: Francesca Sullivan

Schon seit über 35 Jahren existiert die englische Band "New Model Army" aus Bradford, und bis zum heutigen Tage besetzt sie Headliner-Positionen bei internationalen Festivals, so auch in Hünxe beim "Ruhrpott - Rodeo" am Sonntag, 24. Mai, auf der Hauptbühne. Dass es trotz langer und erfolgreicher Karriere immer wieder zu Rückschlägen kommt, darüber unterhielt sich André de Vos mit Sänger und Gitarrist Justin Sullivan.

Hört man sich das erste Lied "Horsemen" vom Studio-Album "Between Dog And Wolf" oder den Song "Stormclouds" live an, ist man gleich total erstaunt über die vielen Trommeln, das Händeklatschen und die starke rhythmische Akzentuierung der Platte. Wie kam das zustande?

Justin Sullivan Unser Schlagzeuger Michael Dean und ich haben schon lange die Idee mit uns herumgetragen, viele Spuren mit Drums und Perkussion aufeinander zu schichten, was wir zwar auch andren Platten immer schon mal gemacht hatten, aber nicht so exzessiv. Uns ging es immer schon darum, neue Klänge zu entdecken, denn ich bin es leid, immer nur diese Gitarren - Sounds zu hören. Das begrenzt einen gewissermaßen.

Warum habt ihr es dann auf dieser Platte vermieden, laut aufzuschreien und stattdessen mit zurückgestauten Gefühlen, mit Melancholie und Traurigkeit gearbeitet?

Sullivan Gute Frage. Wir durchlebten eine dunkle Periode in unserem Leben, deshalb steckt in diesem Ansatz eine Menge Ehrlichkeit. Wir haben alle schon Rückschläge erlebt, aber alle zusammen so noch nicht. Wir haben andererseits natürlich auch schon die ganz großen Hymnen geschrieben, aber so eine dunkle, melancholische, zurückhaltende Platte noch nie.

Welche dunkle Periode und welche Rückschläge hattet ihr aufgearbeitet?

Sullivan Unser Manager starb Ende 2008, und wir mussten uns selbst um die Geschäfte kümmern, weil wir da niemandem getraut haben. Das hat gedauert. Dann kam 2009 die Platte "Today Is A Good Day" raus, gefolgt von der "30-Jahre-NMA-Tour" 2010. Anschließend ist unser Übungsraum mit den Musikinstrumenten und dem Archiv abgebrannt, dann mussten wir einen neuen Bassisten finden, und danach hatten wir auch noch einen Einbruch.

Nicht schlecht. Was ging in dir vor, als du dein Archiv abbrennen sahst?

Sullivan Zwiespältige Gefühle. Einerseits liebt man seine Instrumente, doch es sind nur Instrumente, die man verliert, aber wenn dann auch noch das ganze Archiv abbrennt, da fängt der Spaß erst richtig an! Sarkastisch ausgedrückt: Ich war richtiggehend glücklich, als sich das Archiv in Rauch auflöste.

Deinen Humor hast du ja nicht verloren. Auch euer Albumtitel "Zwischen Hund und Wolf" erscheint etwas ungewöhnlich. Was soll der denn bedeuten?

Sullivan Es ist ein alter mittelalterlicher Ausdruck für die Dämmerung. Es ist die Zeit, in der man sich nicht entschieden kann, ob die Gestalt, die sich dahinten zwischen den Bäumen bewegt, dein Jagdhund ist oder ein Wolf. Der Ausdruck passt für uns als Titel, für die Band und sogar ihre Mitglieder. Jedes Bandmitglied ist eigentlich sehr nett, aber nicht zu zähmen. Das ist nur ein Element von "New Model Army": Da bricht etwas aus der Band hervor, aber nur manchmal.

Wie kam es, dass ihr nach dem Studio-Album 2013 jetzt gleich wieder ein Jahr später eine von den Titeln her identische Live-CD mit Titel "Between Blood And Wine" inklusive sechs neuer Studiosongs veröffentlicht habt?

Sullivan Einerseits dachten wir, dass diese Live-Versionen es wert wären und für sich selbst stehen würden, indem sie einmal anders daherkommen. Dann hatten wir noch einige Lieder zum Album übrig und haben mit "According To You" und "Devils Bargain" noch zwei nachträglich fertig gestellt. Und während dieses Prozesses haben wir noch vier weitere geschrieben. Wir haben uns dabei überlegt, ein Live- und ein Mini-Album gemeinsam herauszubringen und jeden damit etwas zu verwirren.

Wenn ihr etwas Neues produzieren wollt, startet das bei Null oder habt ihr immer was auf Vorrat?

Sullivan Die Art, wie wir schreiben, besteht nur gelegentlich darin, dass ich eine Gitarre in die Hand nehme und was komponiere. Das passiert nicht oft. Meistens arbeiten wir so, dass wir einen Schrank voll mit musikalischen Ideen haben. Die sind durchsortiert nach Drum-Beats, Gitarren-Riffs, ein paar Gesangsformen und Melodien, Klängen und sonstige Ideen. Im anderen Schrank sind die Notizbücher, die ich mit mir herumtrage, voll mit Sachen, über die ich noch schreiben möchte, was Leute mir so erzählen, was ich so lese. Solange die Schränke voll sind, was sie eigentlich immer sind, ist es ziemlich einfach zu schreiben, weil du ein paar Ideen herauskramst. Wenn die eine nicht funktioniert, probierst du halt eine andere aus.

Habt ihr eure dunkle Periode hinter euch?

Sullivan Vielleicht lauert die nächste schon um die Ecke. Aber im Augenblick sieht alles sehr interessant aus und wir sind sehr produktiv.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE ANDRÉ DE VOS

(RP)
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