Dinslaken Tagesmütter beklagen Stiefkind-Dasein

Dinslaken · Besonders für U 3-Kinder sind Tagespflegestellen eine gute Wahl. Kräfte kritisieren aber ein in Wesel starres System.

 Zum Rumkugeln: Im Bällchenbad bei Tagesmutter Jutta Ramms können Knirpse herrlich wühlen.

Zum Rumkugeln: Im Bällchenbad bei Tagesmutter Jutta Ramms können Knirpse herrlich wühlen.

Foto: Jana Bauch

An der Rosenstraße ist das Ziel schnell ausgemacht. Helles Kinderlachen weist den Weg. "Wir sind im Garten", verkündet ein Schild an der Tür. Aber das war ja schon deutlich hörbar. Ein gutes Dutzend Knirpse spielt hinterm Haus von Jutta Ramms. Es gibt einen Sandkasten, ein ganzes Sortiment Kletter- und Spielgeräte, eine Flotte von Bobbycars mit und ohne Anhänger, eine Schaukel, ein Bällchenbad und - wenn es richtig sommerlich ist - wird noch eine Reihe von Pools zur Auswahl stehen. Liebling der Kinder ist ein Hund. Faszinierend finden sie auch die Vögel in einer Voliere. Besonders ins Auge fällt eine schicke Fahrrad-Rikscha, in deren Frontkabine gleich vier Kinder Platz nehmen können, wenn ein Ausflug auf dem Plan steht.

 Jutta Ramms, Albina Erl, Alina Uhlstein, Nadine Dahmen und Maria Konrad (v.l.) samt munterer Schar und schicker Fahrrad-Rikscha.

Jutta Ramms, Albina Erl, Alina Uhlstein, Nadine Dahmen und Maria Konrad (v.l.) samt munterer Schar und schicker Fahrrad-Rikscha.

Foto: Bauch Jana

"Ein Traum für Kinder", stellt Maria Konrad am dritten Tag hier fest. Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern, gelernte Kinderpflegerin und bald in Büderich wieder tätig, hat nach der Elternzeit selbst einen Betreuungsplatz gesucht. Als sie im November für April bei der Stadt anfragte, hieß es, es gebe keinen. Konrad ergriff Eigeninitiative und wurde bei Ebay-Kleinanzeigen fündig. Über eine dort inserierende Tagesmutter kam der Kontakt mit einer Kollegin zustande. Problem gelöst? Nicht ganz.

Der Trubel in der Kinderpflegestelle von Jutta Ramms an der Rosenstraße 6 kommt nicht von ungefähr. Die Tagesmutter hat Besuch von ihren Kolleginnen Nadine Dahmen (Brömder Weg 8) und Albina Erl (Alexander-von-Humboldt-Straße 15). Außerdem ist Praktikantin Alina Uhlstein da, die am Placida-Haus Xanten eine Ausbildung zur Kinderpflegerin macht. Das Sextett der zusammengeschlossenen Weseler Tagesmütter komplettieren Martina Schaal (Damaschkeweg 16), Sandra Heuneker (Heinz-Bello-Straße 3) und Claudia Rehberg (Julius-Leber-Straße 20), die aber heute verhindert sind. Sie wollen auf Missstände aufmerksam machen und beklagen, dass sie stiefmütterlich behandelt werden.

Insgesamt gibt es in Wesel 62 Kinderpflegestellen, wo jeweils maximal fünf Kinder gleichzeitig betreut werden können. Macht unterm Strich rechnerisch gut 300 Plätze. "Wir sind eine bewusste Entscheidung für Eltern", sagt Nadine Dahmen und streicht neben der kleinen Betreuungseinheit die Flexibilität von Tagesmüttern als Vorteil heraus. Sie selbst bietet Betreuung montags bis freitags von 5 bis 16.30 Uhr an. Kollegin Albina Erl steht von 5 bis 22 Uhr bereit, außerdem auf Anfrage auch am Wochenende. U 3-Betreuung ist für viele Eltern ein wichtiges Kriterium.

Die versammelten Tagesmütter beklagen für Wesel Starrheiten, die es in anderen Kommunen so nicht gebe. So könnten Eltern die Betreuungsstunden nicht frei wählen. Vermittelt werde grundsätzlich über das Jugendamt. Diesem gegenüber müsse für die Genehmigung haarklein belegt werden, wann man außer Haus, sprich arbeiten sei (inklusive Fahrtzeiten), und sich nicht selbst ums Kind kümmern könne. Und wer nur 20 Betreuungsstunden pro Woche brauche, müsse trotzdem 25 buchen.

Für reguläre Kindergärten würde Eltern gar oft das 45-Stunden-Paket aufgezwungen. In Köln zum Beispiel könnten indes ganz individuell Vereinbarungen getroffen werden, und die Genehmigung sei auch viel einfacher.

5,33 Euro bekommt in Wesel eine Tagesmutter brutto pro Stunde pro Kind. Plus 500 Euro pro neu eingerichtetem Betreuungsplatz. Einen Topf mit Mitteln für die Erneuerung oder die Bestandspflege von Spielzeug und Geräten gebe es nicht. Ebenso gebe es kein Vertretungsmodell, sagt Nadine Dahmen. "Dafür ist die Stadt gesetzlich zuständig. Es tut sich nichts", sagt Jutta Ramms.

Fachbereichsleiterin Ila Brix-Leusmann von der Stadt sieht das anders. Vergleichbar mit anderen Kommunen im Umkreis seien die Weseler Verhältnisse sehr wohl. Zu 25 Wochenstunden werde niemand gezwungen, es gebe auch ein 15-Stunden-Angebot. Mit Kindergärten, so Brix-Leusmann, könne nicht verglichen werden, da dort die Systematik eine andere sei. Zum Beispiel mit 25, 35 oder 45 Stunden, doch fänden nicht alle Eltern im nahen Kindergarten genau das Angebot, das sie gerne hätten. Einen Topf für Erhalt oder Ersatz von Material gebe es tatsächlich nicht, ebenso kein städtisch gemanagtes Vertretungsmodell. Dies würden die Tagesmütter selbst organisieren. Zweifelsohne gebe es bei der aktuell hohen Belegung Engpässe.

Im übrigen seien Tagesmütter wichtige Kräfte, "die Immenses leisten". Neue Interessierte werden weiter gesucht. Tagespflegeplätze seien stark subventioniert. Für 2017 stehen 1,2 Millionen Euro im Haushalt. Unterm Strich baut die Fachbereichsleiterin aufs neue Kita-Gesatz mit klaren Eckpunkten für alle. Eine singuläre Wesel-Lösung hält sie für nicht möglich.

Die Auslastung liegt derzeit auf einem Höchststand. 155 Plätze sind belegt, hinzu kommen 61 Kinder in Randzeiten. Dass es keine 300 sind, erklärt Brix-Leusmann damit, dass viele Tagesmütter das eigene Kind (oder Enkelkind etc.) sowie ein bis zwei weitere Kinder betreuen.

(RP)
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